Auf dieser Seite liste ich eine Auswahl von Büchern auf, die ich gelesen
habe und die ich für lesenswert erachte. Die Auswahl ist absolut
subjektiv und spiegelt eben meine eigenen Interessen wieder.
Vielleicht ist dennoch etwas für Sie dabei!
Annett Gröscher: Schwebende Lasten
Dieses Buch habe ich von meiner Frau erhalten.
Es handelt von der 1913 geborenen Hanna Krause,
einer Frau aus dem Arbeitermilieu.
Hanna Krause lebte in Magdeburg und war zuerst Blumenbinderin und
Blumenverkäuferín mit eigenem Blumenladen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie zur
Kranfahrerin umgeschult.
Das Buch hat seine Stärken dadurch, dass die Lebensbedingungen von ihrer Kindheit bis zu
ihrem Lebensende aus ihrer Perspektive geschildert werden. So gibt das Buch beides
wieder: Die Schrecken der Zeiten, wo wir wieder einmal erkennen können, wie gut es uns erging und
noch ergeht. Und ... die Geschichte einer tapferen Frau, die es in ihrem Leben nicht einfach
hatte und deren Lebensleistung Respekt abnötigt.
Angela Merkel: Freiheit
Wenn ich das Buch lese, egal an welcher Stelle, stellt sich das Gefühl ein »boah ohh! Ich hätte nie gedacht,
dass Regieren sooo anstrengend sein kann!«
Wenn in Deutschland sich derzeit viele
Mitbürger nicht richtig mit ihren Interessen vertreten fühlen, so sollen sie dieses
Buch lesen, bevor sie sich beschwehren. Mir ist jedenfalls beim Lesen noch einmal klar geworden,
wie schwer es ist, in einer multipolaren Welt verbindliche Regeln zu etablieren, die
wirklich langfristig zielführend sind, sei es beim Thema Wirtschaft, Finanzen, Umwelt,
Klimaschutz oder beim Kampf gegen Hunger und Ausbeutung.
Das Buch nötigt mir höchsten Respekt vor
der Leistung Angela Merkels ab. Wenn das ihr Ziel mit dem Buch war, so ist ihr das gelungen!
Joana Osman: Wo die Geister tanzen
Die Autorin rekonstruierte anhand weniger Tagebücher die Geschichte ihrer Großeltern, die 1948 wie tausende andere arabische Familien aus dem britischen Mandatsgebiet (in dem Fall aus Jaffa) vertrieben worden waren. Die Flucht geht über den Libanon in die Türkei und wieder zurück in den Libanon. Das Buch ist eine Mischung von Fiktion und Autofiktion. Die Autorin lässt darin auf virtuose Weise die Geister der Vergangenheit tanzen.
Jenny Erpenbeck: Gehen, Ging, Gegangen
Ich zitiere aus der Besprechung des Buches auf www.buecher.de: »Richard, emeritierter Professor, kommt durch die zufällige Begegnung mit den Asylsuchenden auf dem Oranienplatz auf die Idee, die Antworten auf seine Fragen dort zu suchen, wo sonst niemand sie sucht: bei jenen jungen Flüchtlingen aus Afrika, die in Berlin gestrandet und seit Jahren zum Warten verurteilt sind.«.
Alina Bronsky: Pi mal Daumen
Eine 53-jährige Lippenstift-affine Oma, immer bunt gekleidet und mit hohen Absätzen versorgt, beschließt, zusätzlich zu ihren drei Nebenjobs, etwas zu machen, was sie bisher in ihrem Leben unterlassen hat → Sie beschließt Mathemathik zu studieren.
Da sie hinsichtlich Alter, Geschlecht, Styling, innerer Haltung und bisheriger Lebensplanung unter den Studierenden eine Außenseiterin ist, bekommt sie erst einmal Kontakt zu einem weiteren Außenseiter unter den Studenten, dem 16-jährigen hochbegabten Oscar, dem Ich-Erzähler. Der Kennenlerndialog verläuft folgendermaßen (ich zitiere):»Oscar« sagte ich, als sie die Nummer eingetippt hatte und mich fragend ansah.
»Und weiter ?«
»Oscar Maria Wilhelm Graf von Ebersdorff.« Ich buchstabierte.
»Hilfe«, sagte Moni. »Ist es okay, wenn ich keinen Knicks mache?«
In dem Stil geht es weiter. Ein wunderbares Buch, welches mit lakonischer Sprache, die Geschichte erzählt. — Ich werde es meiner Tochter schenken, welche gerade Psychologie studiert.
Eva Völler: Die Dorfschullehrerin Was die Hoffnung verspricht (Band 1)
Der Roman spielt im Jahr 1961. Er schildert das Schicksal einer jungen Grundschullehrerin aus Ost-Berlin, die vor dem Bau der Berliner Mauer zusammen mit Ehemann und Tochter in den Westen fliehen wollte. Die Flucht wird von der Stasi verhindert.
Der Ehemann kommt in der Haft um. Dank befreundeter Stasi-Mitarbeiter kann die junge Frau nach einiger Zeit in der Haft doch noch in den Westen übersiedeln. Die Tochter wird aus dem Kinderheim entlassen und kommt in die Obhut der bei der Stasi als zuverlässig geltenden Großeltern, die nahe der Grenze zu Hessen in der Rhön wohnen.
Sowohl im Osten als auch im Westen herrschte zu der Zeit Lehrermangel. Die junge Frau wird Lehrerin in der Dorfschule in dem Dorf in Hessen, welches wenige Kilometer westlich des Wohnortes der Eltern und der Tochter liegt. Sie hofft, ihre Tochter in den Westen holen zu können.
Eva Völler: Die Dorfschullehrerin Was das Schicksal will (Band 2)
Der zweite Teil spielt im Jahr 1964. Die Tochter und die Eltern der Lehrerin haben nach einer spektakulären Flucht den Westen erreicht. Damit ist das Hauptziel der Lehrerin erst einmal erreicht. Aber jetzt stellt sich die Frage, wie geht das Leben weiter? Ihren Freund den Arzt des Dorfes kann sie nicht einfach heiraten, dann wäre ihre Stelle als Lehrerin futsch. So war die Zeit damals!
Der zweite Teil ist nicht weniger spannend als der Erste, denn jetzt zeigt sich, wie schwierig es ist, die eigenen Werte zu leben.
Tanja Kinkel: Reichenau - Insel der Geheimnisse
2024 ist es 1300 Jahre her, dass der der Wandermönch und spätere Abt Pirmin das Kloster gegründet hatte. Acht Autorinnen historischer Romane haben sich zusammengefunden um zu den verschiedenen Zeitabschnitten von 724 bis 1541 jeweils eine historische Kurzgeschichte zu schreiben. Einerseits Fiktion, aber diese ist orientiert an den historischen Begebenheiten und vermittelt Wissenswertes über die Geschichte der Reichenau.
Jenny Erpenbeck: Kairos
Die neunzehnjährige Katharina und Hans, ein verheirateter Narzist, Mitte fünfzig, begegnen sich Ende der achtziger Jahre in Ostberlin, zufällig, und verlieben sich in einander. Die „Liebesgeschichte” finde ich, positiv gesagt, unerheblich. Spannend finde ich das im Buch beschriebene gesellschaftliche Wertesystem und das Denken der Menschen in den letzten Jahren der DDR.
Klaus Kordon: Die Einbahnstraße ← Ich komme von Klaus Kordon nicht los. Nachdem ich Paule Glück Das Jahrhundert in Geschichten, Die Zeit ist kaputt Die Lebensgeschichte des Erich Kästner, 1848 Die Geschichte von Jette und Frieder, Fünf Finger hat die Hand, Im Spinnennetz und Julians Bruder gelesen habe, fiel mir nun beim Besuch von Freunden dieses Jugendbuch in die Finger. Es ist ein wunderbares Buch, welches geeignet ist, Jugendliche über die Gefahren des Drogenkonsums aufzuklären:
Andy ist von Inga fasziniert. Auch als sich herausstellt, dass sie drogensüchtig ist, weicht er nicht von ihrer Seite. Er haut mit ihr ab, taucht in einer WG unter. Die Frage, die sich in dem Buch stellt ist: Gibt es einen Weg zurück aus dem Strudel der Abhängigkeit oder ist es eine Einbahnstraße?
← Buchtitelbild © booklooker
J.L. Talmon: Die Ursprünge der totalitären Demokratie
Im Urlaub bin ich im Museumscafe der Insel Reichenau auf dieses Buch gestoßen. Das Café ist nicht nur ein Café — es ist eine Bücherstube, in der man Bücher entdecken und sogar ausleihen kann. Man darf auch Bücher mitbringen. Jedes Jahr entdecken wir in dem Café etwas Neues.
Das Buch kam mir vor, wie aus der Zeit gefallen. Erstmals publiziert auf Englisch im Jahr 1952, ist es in deutscher Übersetzung zum Beginn des Jahres 1961, also noch vor dem Bau der Berliner Mauer, erschienen. Der Autor, der in Polen als Sohn einer orthodoxen jüdischen Familie geborene Jacob Leib Talmon (* 14. 06. 1916 — † 16. 06. 1980) war zum Erscheinungszeitpunkt Professor für Moderne Geschichte an der Hebräischen Universität von Jerusalem.
Das Buch versucht zu zeigen, dass sich im achtzehnten Jahrhundert - gleichzeitig mit einem „liberalen Typ der Demokratie” und aus denselben Prämissen heraus - eine Tendenz in Richtung auf das anbahnte, was wir als „totalitären Typ der Demokratie” bezeichnen könnten. Beide Strömungen haben seit dieser Zeit ohne Unterbrechung nebeneinander bestanden. Die Spannung zwischen ihnen bildet ein wichtiges Kapitel in der neueren Geschichte. Denken wir an Ungarn oder auch an Polen, so ist die Frage nach der Qualität der Demokratie auch nach dem Untergang der DDR zu einer der entscheidenden Kernfragen unserer Zeit geworden. Natürlich beschäftigt sich das Buch auch mit Detailfragen, die wir heute als weniger relevant oder sogar belanglos einstufen. Von heute aus gesehen - erscheint in der Tat die Geschichte der letzten hundertfünfzig Jahre als ein Weg zwischen „liberaler Demokratie” einerseits und „totalitärer Demokratie” andererseits - eine der fortbestehenden Weltkrisen von heute.
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Herbert Dutzler: Die Welt war eine Murmel
Die Geschichte spielt 1968 und wird aus der Perspektive des zehnjährigen Siegfried Niedermayr erzählt, der mit seiner Familie, das heißt mit der Mutter Edeltraud, dem Vater Adolf und jüngeren Schwester Uschi, mit dem Reisebus (ein Auto hat die Familie nicht) für eine Woche nach Italien ans Meer fährt.
Im Vorjahr war ein Klassenkamerad der Einzige in der Klasse, der damit angeben konnte, in den Ferien in Italien am Meer gewesen zu sein. Er wurde dafür von allen Anderen beneidet. Siegfried packte seine Winnetou-Bücher ein und freute sich schon darauf nach den Ferien auch zum erlesenen Kreis der beneideten Italienfahrer zu gehören.
Es sind die Details, die dafür sorgen, dass der Roman für mich, der in den Sechziger-Jahren Kind war, noch einmal der Blick in die alte Welt öffnet, in der es klar war, dass eine Mutter sich um den Haushalt und um die Kindererziehung zu kümmern hatte, der Mann das Geld nach Hause brachte und in der es nur einem privilegierten, kleinen Teil der Kinder, so wie Siegfried, vergönnt war nach den großen Ferien ins Gymnasium zu gehen, um später einmal „etwas Gescheites” zu werden. Seine Mutter Edeltraud wollte, dass er aufs Gymnasium geht, ... der Vater Adolf war eher dafür, dass er auf die Hauptschule geht und dann in der Lehre „etwas Gescheites” lernt.
Um das klarzustellen: Meine Eltern waren weit weniger „Sechziger” als die Eltern von Siegfried. Da bin ich ihnen heute noch dankbar dafür.
Stefanie Zweig: Das Haus in der Rothschildallee / Rothschildsaga Bd.1
Stefanie Zweig: Die Kinder der Rothschildallee / Rothschildsaga Bd.2
Stefanie Zweig: Heimkehr in die Rothschildallee / Rothschildsaga Bd.3
Stefanie Zweig: Neubeginn in der Rothschildallee / Rothschildsaga Bd.4
Ich lese gerade den ersten Band, den ich mir aus der Stadtbücherei ausgeliehen habe. Zu kaufen gibt's das Buch nur noch als EBook.
Es beginnt zur Jahrhundertwende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert: Johann Isidor Sternberg, ein erfolgreicher jüdischer Tuchhändler, kaufte sich ein Mehrfamilienhaus in der Rothschildallee 9 in Frankfurt am Main. Als 14 Jahre später in Sarajewo der österreichische Trohnfolger Franz Ferdinand ermordet wurde, rief der deutsche Kaiser „alle deutschen Söhne” in den Krieg. Dem Juden Johann Isidor Sternberg standen die Tränen in den Augen. Endlich gehörten die Juden auch dazu und durften dem deutschen Vaterland im Kriege dienen! Als sein Erstgeborener Sohn mit 18 Jahren zum deutschen Heer einberufen wurde, war der Mann stolz. Und — dann gehört dieser Sohn zu den ersten Gefallenen des Jahres 1914.
Der Roman schildert das Leben dieser gutbürgerlichen Familie und die Tragik dieser Zeit.
Die Bände 2 bis 4 habe ich noch nicht gelesen. Die Bände 3 und 4 habe ich mir schon gebraucht besorgt. Fehlt nur noch der Band 2. Sobald ich den habe lese ich weiter.
Nora Bossong: Die Geschmeidigen Meine Generation und der neue Ernst des Lebens
Es geht um die Generation der zwischen 1975 und 1985 Geborenen, um die „Geschmeidigen”. Das Buch tat mir gut, weil Nora Bossongs Blick auf unsere aktuelle gesellschaftliche Situation erkennen lässt, dass hier eine Generation am Werke ist, die nicht so schnell aufgibt und sich den Herausforderungen der Zeit stellt.
Hanns-Josef Ortheil: Die Erfindung des Lebens
»Die Erfindung des Lebens« ist eine autobiographisch inspirierte Geschichte eines jungen Mannes von seinen Kinderjahren bis zu seinen ersten Erfolgen als Schriftsteller. Als einziges überlebendes Kind seiner Eltern, die im zweiten Weltkrieg und der Zeit danach vier Söhne verloren haben, wächst er in Köln auf. Der Kummer hat die Mutter verstummen lassen. Auch er, der letzte verbliebene Sohn, ist als Kind stumm und gewinnt erst mit zunehmender Ich-Stärke seine Sprache wieder. Er schafft den Absprung nach Rom, wo er eine Karriere als Pianist beginnt und nach deren Scheitern mit dem Schreiben sein Glück zu machen versucht.
Der Roman hat mich fasziniert. Wobei ich mir schwer damit tue, was es eigentlich ist, was mich an dem Buch so fasziniert ... . Vielleicht kann ich das noch später in Worte fassen — dann ergänze ich die Besprechung entsprechend.
Leeroy Matata: Zuhören ist die beste Antwort Was ich aus meinen Begegnungen gelernt habe
»Das Leben ist kein Hollywoodfilm mit märchenhafter Wendung in den Schlussminuten. Aber das
sollte uns nicht daran hindern, über die kleinen Fortschritte zu reden, das Gute wahrzunehmen, das
passiert ist — ohne das Schlechte zu verschweigen. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass dabei
eine unglaubliche Energie bei demjenigen entsteht, der spricht.«
Diese positive
Grundhaltung durchzieht das ganze Buch, in dem er seine Erlebnisse aus vielen Gesprächen mit ca. 250
Menschen beschreibt, von denen er auf seinem inzwischen beendeten
YouTube-Kanal Videos veröffentlicht hat.
Dabei hätte er selbst durchaus Grund zur Klage: Im Alter
von 4 Jahren wird bei ihm eine seltene Erkrankung der Knochen (so dass diese brüchig werden) diagnostiziert.
Nicht zuletzt deshalb ist er auf den Rollstuhl angewiesen.
Katharina Höftmann Ciobotaru:Alef
In der Zusammenfassung es Inhaltes des Buches auf buecher.de ist zu lesen: »Alef ist der erste Buchstabe im hebräischen Alphabet. Er steht für Anfang und Ende. Er steht sinnbildlich für die Beziehung zwischen Maja und Eitan. Sie wurde in der DDR geboren und ist im Rostock der 90er-Jahre aufgewachsen - er ist Jude und lebt in Israel. Zwei Welten prallen aufeinander...«
Nach meinem Dafürhalten ist es aber nicht das „Aufeinanderprallen der Welten”, sondern die Verschiedenartigkeit der Menschen die aufeinandertreffen, die das Buch so interessant beschreibt.
Die meisten Menschen können eine Idee formulieren, was aus ihrer Sicht „gut und richtig” ist. Oft machen wir uns nicht klar, dass wir darunter noch die in den meisten Fällen unbewusste Idee davon haben, was gut und richtig ist. Das Buch beschreibt wunderbar, wie diese beiden Ebenen einander in die Quere kommen können. Zum Glück klappt's in dem Buch ganz am Schluss doch, dass die beiden einander (er-)finden.
Florian Wacker: Zebras im Schnee
Dieses Buch ist gerade in Frankfurt total angesagt. Im Augenblick beginnt man sich dort mit der
Geschichte der 20er- und frühen 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu beschäftigen. Das war
in Frankfurt eine interessante Zeit — Die Stadt wurde gemäß den Bedürfnissen der Zeit neu
gestaltet: Es wurde eine Ringstraße um die Frankfurter City gebaut. Eine Straße, die ich immer
bewundert habe. Wo man 2-spurig in jeder Richtung rund ums Zentrum fahren kann und wo zwischen den Fahrspuren
ein noch breiterer Grüngürtel mit einem oder mehreren Spazierwegen liegt, mit heute wunderbaren,
teilweise 100 Jahre alten Bäumen. In dieser Zeit wurden für die Arbeiterschaft viele soziale
Wohnbauten errichtet, in denen heute meist die wohlhabenden Frankfurter wohnen1.
Es war eine Zeit des
Aufbruchs, die anhand einer fiktiven Geschichte in diesem Buch beschrieben wird.
1
Dennoch scheint mir die soziale Durchmischung in Frankfurt am Main besser zu sein als in
vielen anderen deutschen Großstädten.
Bettina Stangneth: Überforderung Putin und die Deutschen
Das Buch reflektiert die „Überforderung” der Deutschen nach dem Angriff Putins auf die Ukraine.
Die verbale Reaktion aus Deutschland auf den Angriff Putins auf die Ukraine war ja schon eher eindeutig,
aber als es um die Art und Weise ging, wie Deutschland reagieren sollte, ...
- Waffenlieferungen oder nicht?
- Wenn ja, welche Waffen ?
- Wann, wohin?
Da diagnostiziert die Autorin bei uns Deutschen „ängstliches Denken” und dem
entsprechende „Überforderung”. Es sind keine grundlegend neuen
Erkenntnisse, die dieses Buch bringt. Das Buch durchdringt aber meines Erachtens die
aktuelle Psychodynamik nicht richtig, die da folgendermaßen geht:
-
Wer rechts eingestellt ist, verurteilt den Angriffskrieg Putins nicht. Indirekt
entschuldigen diese Leute Angriffskriege generell und damit auch Hitlers
Angriffskriege.
-
Wer den Angriffskrieg verurteilt, muss sich umso mehr mit den moralischen Folgen des
deutschen Überfalls auf Polen und später auf die Sowjetunion
auseinandersetzen und akzeptiert so den Gedanken einer deutschen
Kriegsschuld, was die verdrängte Frage wieder ins Bewusstsein rückt, wie wir Deutschen
adäquat mit unserer Vergangenheit umgehen sollen. Die Konsequenzen
sind dann „Überforderung” und „ängstliches Denken”.
Ulrike Schweikert: Tränenpalast Berlin Friedrichsstraße
Friedrichstraßensaga Bd.2
Ich bin versucht zu sagen „ein Frauenbuch”. Das stimmt und es stimmt auch nicht. In erster Linie ist der Roman
die Fortsetzung eines früheren Buches von Ulrike Schweikert über vier Freunde,
Robert, Johannes, Else und Ella, die in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen
aufgewachsen sind. Der zweite Band beschreibt die Zeit vom Ende des zweiten Weltkriegs bis zum
Bau der Mauer um West-Berlin, bis zu dem Zeitpunkt, wo aus dem Bahnhof Friedrichstraße das Symbol
der Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland geworden ist und zu dem Ort wurde, wo die
Abschiedstränen flossen.
Nebenbei ist es die Geschichte eines lesbischen
Liebespaares, etwas, was es zu dieser Zeit eigentlich nicht geben durfte.
Ich habe
aus dem Buch viel erfahren über die Zeit, als meine Eltern noch Jugendliche und später junge
Erwachsene waren.... Gut recherchiert und spannend geschrieben!
Klaus Kordon: Paule Glück Das Jahrhundert in Geschichten
Wenn es in meiner Kindheit so ein Buch gegeben hätte, dann hätte mich das Fach Geschichte
sicher mehr interessiert und ich hätte einen besseren Zugang zu dem Fach gefunden.
In dreizehn Geschichten erzählt Klaus Kordon die Geschichte des 20. Jahrhunderts. So
wird das Lebensgefühl dieser unterschiedlichen Zeiten anhand der Schicksale
der in den Erzählungen vorkommenden Personen nachvollziehbar und nachfühlbar.
Das Buch eignet sich auch um Menschen, die neu nach Deutschland gekommen sind, die deutsche Geschichte
nahezubringen. Ein wunderbares Buch!
Sahra Wagenknecht: Die Selbstgerechten Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt
Die Frau nervt. Natürlich hat sie Recht, wenn sie sagt, dass heutzutage eine Partei, wie die SPD nicht
mehr wirklich die Interessen
der Arbeiter und der einfachen Angestellten vertritt. Natürlich hat sie Recht,
mit der Aussage, dass Outsourcing in der
Regel bedeutet, dass die Angestellten dann weniger Geld für die gleiche Arbeit
bekommen. Natürlich hat sie Recht, wenn
sie beschreibt, dass es einen Schwund an Industriearbeitsplätzen in der Produktion gibt und
dafür mehr so genannte
„bullshit-jobs”, wodurch die Angst vor dem sozialen Abstieg zur prägenden
Erfahrung für viele Menschen
wurde.
Verdammt nochmal — ist das meine Schuld? Muss ich mich jetzt auch
noch darum kümmern?
Und hilft das Gewese, welches sie gerade veranstaltet mit ihrer
Parteigründung, aus dieser Situation raus? — Nö! Wie auch?
Wer jetzt sich immer noch aufregen möchte, muss das Buch lesen.
Manfred Rommel: Trotz allem heiter Erinnerungen
Manfred Rommel kam wenige Monate vor meinem Vater zur Welt. Zu Glück sind die
Erinnerungen meines Vaters, der in etwa gleich alt ist, wie Manfred Rommel, weniger
traumatisch als die von Manfred Rommel: Als Fünfzehnjähriger musste er miterleben,
wie sein Vater von Hitlers Todeskommando abgeholt und in den Selbstmord getrieben
wurde.
In den Nachkriegsjahren war Manfred Rommel zunächst Finanzpolitiker
in Baden-Württemberg und arbeitete zeitweise auch in Bonn. Später war er Stuttgarter
Oberbürgermeister und als solcher im In- und Ausland hoch geschätzt.
In dem Buch werden viele
Ereignisse berichtet, die ich als Kind am nur Rande mitbekam, wenn meine Eltern oder
Großeltern über diese Ereignisse sprachen und diskutierten.
Christhard Läpple: So viel Anfang war nie Notizen aus der ostdeutschen Provinz
Den Autor kenne ich seit Kindertagen, da sein Vater ein Vetter meiner Mutter war. Was ich nicht wusste, dass er offenbar, so wie ich,
später auch nach der Wende in den Osten Deutschlands gezogen war und dort Erfahrungen gemacht hat, die wohl in das Buch »So viel Anfang
war nie« eingeflossen sind. jedenfalls handelt es sich hier um eine sehr plastische Wiedergabe dessen, was offenbar
die Wende in den Menschen eines kleinen Dorfes ausgelöst hat.
In deutlich abgeschwächter Form ist es das, was auch viele
mir heute so aus der Wendezeit berichtet haben. Insofern war das Buch für mich ein zusätzlicher Einblick in das
Seelenleben der Ostdeutschen nach der Wende. Das hat zu meinem Verständnis für die Menschen beigetragen und ein wenig
weitergeholfen.
Christhard Läpple: Verrat verjährt nicht Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land
Dieses Buch, in dem es offenbar um die Stasi geht, ist 10 Jahre vor dem anderen erschienen und liegt noch zum Lesen in meinem Bücherregal.
Christoph Hein: Unterm Staub der Zeit
Wieder ein „Kalter Krieg-Bewältigungs-Titel” — Das ist nicht abschätzig gemeint. — Diesmal geht es
um einen Pfarrerssohn, der in der DDR kein Abitur machen durfte. (Auf irgend eine Art und Weise taucht hier schon wieder
Angela Merkel als Pfarrerstochter und Ausnahme auf: Sie durfte im Osten Abitur machen und studieren. War das
die Frauenquote? Und was wäre passiert, wäre Angela ein Mann gewesen?)
Solange die Grenze noch offen
war, konnten diese Kinder in den Westen, in ein Schülerheim ziehen, wo sie wohnten und von wo aus sie ins Gymnasium gingen.
Typischerweise waren das kirchliche Einrichtungen für die Kinder der »armen Glaubensbrüder und
-schwestern« im Osten.
Später konnten seine Eltern nach Ostberlin ziehen. Er wohnte ab da wieder bei ihnen und
pendelte täglich in sein westberliner Gymnasium. — Bis quer durch Berlin eine Mauer gebaut wurde . . .
Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders
Uwe Timm: Die Entdeckung der Currywurst Novelle
Uwe Timm schreibt über seinen 1924 geborenen und 1943 in einem Lazarett in der Ukraine verstorbenen
älteren Bruder.
Er hatte sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Man könnte sagen — eine Geschichte, wie es sie in Deutschland
häufig gab.
Uwe Timm konnte die Geschichte erst nach dem Tod der Mutter und der älteren Schwester aufschreiben, als sie bei den
Angehörigen nicht mehr neue Verletzungen, Wut oder Abwehr generieren konnte. Diese zeitliche Distanz
kommt dem Buch zugute.
Das zweite Buch von Uwe Timm habe ich im Urlaub gelesen. Es geht im eine im Altersheim lebende über 80-jährige,
die berichtet, wie sie kurz vor Kriegsende einen jungen desertierten Marinesoldaten in ihrer Hamburger
Wohnung versteckt hat und ein Liebesverhältnis mit ihm angefangen hat. Um ihn nach Ende des Krieges nicht zu verlieren
verschweigt sie ihm, dass die Wehrmacht in Hamburg längst kapituliert hat. Sie hält ihn in ihrer Wohnung fest, versorgt ihn mit Fake-News
über die angeblich fortdauernden Kämpfe und mit Nahrung.
Arye Sharuz Shalicar1 (hebräisch: אריה שרוז שליקר) wuchs als Sohn von aus dem Iran stammenden Eltern jüdischen Glaubens
im Berlin der 80er und 90er-Jahre auf. 2001 wanderte er nach Israel aus.
In seiner Autobiographie mit dem Titel Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde, berichtet er über
seine Erfahrungen, die er in seiner Jugend in Berlin machte.
Identifizierte man ihn als nicht 100%-Deutschstämmigen, erlebte er sich stets als nicht 100% dazugehörig, als fremd im eigenen Land.
Nur in seiner kriminellen Jugendgang im Wedding wurde er schließlich akzeptiert. Was dieses
Buch so besonders macht, ist das Verständnis des Autors sowohl für die Befindlichkeit der Muslime (egal ob sie aus dem arabischen Raum oder aus dem Iran
stammen), für die Befindlichkeit der Juden (in Deutschland und in Israel) und sein Wissen um die Denkweisen der Deutschen.
Die Entscheidung darüber, was wir mit den aus dem Buch gewonnenen Erkenntnissen anfangen und ob wir zwischen den verschiedenen Gruppen im
eigenen Land Brücken bauen wollen oder nicht, müssen wir, die Leser, aber selber treffen. Dass das nicht ohne Konflikte abgeht, haben wir ja in den
vergangenen Tagen schon erlebt.
1 Von Oktober 2009 bis Anfang 2017 war Shalicar einer der vier offiziellen
Sprecher der israelischen Armee. Seit 2017 arbeitet er in der israelischen Regierung. Er
ist dort Abteilungsleiter des Bereichs internationale Beziehungen. Nach dem Terrorangriff
der Hamas auf Israel, 2023, wurde er wieder als Sprecher der israelischen Streitkräfte
reaktiviert.
2021 war dieser Roman verfilmt worden.
Susanne Abel: Stay away from Gretchen Eine unmögliche Liebe
Als Denis Scheck das Buch in der ARD vorstellte, sagte er: »Dieser gut konstruierte Roman (...) erinnert daran, wie lang der Weg
aus einem von Rassismus und Bigotterie geprägten Nachkriegsdeutschland war und welche Wegstrecke zu einer
gerechteren Gesellschaft noch vor uns liegt.«. Selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich hier wiederhole. Es ist ein Segen,
dass jetzt in der Literatur immer wieder die Nachkriegszeit in den Blick kommt und aufgearbeitet wird. Vieles von dem, was in
dem Buch beschrieben wird, habe ich auch noch in den 60ern des vergangenen Jahrhunderts mitbekommen, aber eben erst später
verstanden.
Kurz zum Inhalt: Ein schwarzer GI verliebt sich in Heidelberg in ein deutsches Mädchen. Es kommt ein Kind zur Welt und die Beiden wollen
heiraten, was von den Eltern des Mädchens verhindert wird. Das deutsche Jugendamt entzieht der Mutter das Kind und das Kind kommt in
diverse Heime. Die Mutter sucht das Kind, findet es aber nicht mehr, denn es wurde mittlerweile, mit der Begründung, da gehe
es dem Kind besser, zur Adoption in die USA verbracht.
Obwohl das ein 544-Seiten-Buch ist, wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig.
Maxim Leo: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Das Buch reflektiert indirekt das Verhältnis von Ost- und West-sozialisierten Menschen,
wie sie auch über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, über 30 Jahre nach dem Anschluss der DDR an
die Bundesrepublik unterschiedlich ticken.
Michael Hartung, der früher als Stellwerksmeister bei der Ostberliner S-Bahn gearbeitet
hatte, soll eine Massenflucht von 127 Menschen vom Bahnhof Friedrichsstraße aus in den Westen ermöglicht
haben. So steht es in seinen Stasi-Akten und er bekommt jetzt Besuch von einem Journalisten, der Genaueres
wissen will. Es dauert nicht lange, da wird Hartung als Held vom Bahnhof Friedrichstraße gefeiert und er ist beliebter,
gern gesehener und gefeierter Gast in allen möglichen Fernsehsendungen.
Dass Michael Hartung eine solche Flucht niemals geplant hatte und dass er zufällig, aufgrund eines Missverständnisses,
die Weiche so gestellt hatte, das hat plötzlich keinen Platz mehr in der medialen Wirklichkeit. Hartung ist am Ende ein Held
wider Willen.
Ich habe mich während des Lesens mehrmals gefragt, wie kann der Autor eine so fulminant erzählte Geschichte vernünftig
zu Ende bringen? Er tut es auf die meines Erachtens einzig mögliche Weise. Mehr sei nicht verraten. Brilliant!
Richard David Precht: Freiheit für alle Das Ende der Arbeit wie wir sie kannten
Unser Klassenlehrer der 4.Klasse hat uns prophezeit, dass wir es gut hätten, denn ab dem Jahr 2000 müssten wir
nicht mehr arbeiten, denn dann würden die Waren von Robotern hergestelt und wir müssten dann nur noch die
hergestellten Waren konsumieren.
Einerseits spotte ich immer, dass ich noch darauf warte, dass die Prophezeiung meines Klassenlehrers
endlich in Erfüllung geht und dass er sich zeitlich doch sehr verschätzt hat. Dabei gerät aber leider aus dem Blick, dass
mein Lehrer sich hinsichtlich der Roboter und der Computer nicht so sehr geirrt hat, die jetzt die
Arbeitswelt prägen und er sehr wohl damit Recht hatte, dass es bei der Arbeit heutzutage immer weniger
darum geht unsere Existenz zu sichern. Wir arbeiten um zur Erwerbsarbeitsgesellschaft
dazuzugehören. Es kommt immer mehr auf die Qualität und die genauen Umstände des Arbeitens
an und inwiefern die Arbeit der »Selbstverwirklichung« dient.
John Strelecky: Das Cafe am Rande der Welt Eine Erzählung über den Sinn des Lebens
Ein viel beschäftigter Werbemanager macht in einem Café halt. Auf der Speisekarte stehen neben dem Menü
des Tages drei Fragen:
»Warum bist du hier? Hast du Angst vor dem Tod? Führst du ein erfülltes Leben?« Der Manager wird neugierig. Anstatt
weiterzufahren bleibt er und beginnt mit Hilfe der Anwesenden über diese Fragen nachzudenken. Er
schaut mit einem Mal ganz anders auf die Welt auf seine Beziehungen und auf seine Mitmenschen.
Alina Bronsky: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
Ich habe das Buch vor Jahren gelesen und jetzt wiederentdeckt.
"Als meine Tochter Sulfia mir sagte, sie sei schwanger, wisse aber nicht, von wem", mit dem Satz beginnt der Roman. Die Tatarin
Rosalinda ist die Ich-Erzählerin. Es fehlt Rosalia nicht an Selbstbewusstsein. Sie ist die Matriarchin, die versucht
alles zu kontrollieren.
Obwohl sie eine anstrengende, sehr herrische, ich-bezogene Person ist, hat ein Herz für ihre Enkelin und auch für ihre
Tochter, auch wenn sie dies nicht direkt zeigen kann.
Ganz nebenbei erfährt man viel über die russische Gesellschaft, gerade auch dadurch, dass dargestellt wird, was mit der
Familie passiert, als sie in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ins Exil nach Deutschland zieht.
Mark Aldanow: Der Anfang vom Ende
1919 floh der damals 33-jährige Autor, wie so viele seiner Landsleute, aus Kiew vor den Bolschewiken ins Exil nach Paris.
Mark Aldanow ist ein Synonym für Mordechai-Markus Israeliwitsch Landau. Er war Nachkomme einer
österreich-jüdischen Industriellenfamilie, hatte angeblich Jura und Naturwissenschaften
studiert und arbeitete als Chemiker. Vor seinem 30 Geburtstag hatte er neben seinen wissenschaftlichen
Veröffentlichungen auch „nebenbei” noch literaturhistorische Aufsätze und Bücher verfasst.
Sein Roman »Der Anfang vom Ende« erschien 1943 in englischer Übersetzung. Vor seinem Tod 1957 äußerte Aldanow
die Befürchtung, dass dieses Buch niemals in der Originalsprache auf Russisch erscheinen werde. Beinahe hätte er
Recht gehabt. Es dauerte bis in die 1990er-Jahre, bis während dem Zerfall der Sowjet-Union das Buch auch auf Russisch erscheinen
konnte.
Die meines Erachtens beste Zusammenfassung des Inhalts lieferte der 1981 geborene russische
Journalist Sergei Lebedew:
„Was Aldanows Buch heute so aktuell macht, ist dieses Gefühl der absoluten moralischen Katastrophe,
die über Russland hereingebrochen ist, das Gefühl des 'Anfangs vom Ende'.”
Catherine Liu: Die Tugendpächter
Wie sich eine neue Klasse mit Moral tarnt und Solidarität verrät
Tugendpächter, das sind wir. Wir haben die Tugend gepachtet.
Auch wenn das Buch ursprüngich die Entwicklung der gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Klassen und Rassen in den USA
beschreibt — Es gibt es doch hinsichtlich des in dem Buch beschriebenen Pänomens, einer Professional
Managerial Class (PMC), mehr Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den USA, als ich auf den ersten Blick
erwartet habe.
Wir, die wir Akademiker in gut bezahlter Stellung sind, dort Verantwortung tragen und uns engagieren. Wir wollen und
können uns in unserer Position für moralisch möglichst adäquates, menschliches Vorgehen einsetzen. Und oft
gelingt uns das auch. Wir äußern uns auch den Anderen gegenüber entsprechend.
Aber wir sind nicht konsequent.
Ein Beispiel:
Wir Ärzte sind der Meinung, dass die in der Pflege
Arbeitenden viel besser bezahlt werden müssten. Man fragt sich nur — Was tun wir dafür? Letztlich tragen wir mit unserer
Haltung weit mehr zu der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich bei, als wir das wahrhaben wollen.
Otfried Höffe: Die hohe Kunst des Alterns
Kleine Philosophie des guten Lebens
Otfried Höffe: Sittlich-politische Diskurse
Philosophische Grundlagen, politische Ethik, biomedizinische Ethik
Ich weiß nicht mehr, wo ich auf Otfried Höffe gestoßen bin. Er wurde Professor in Tübingen, zwei Jahre nachdem ich von dort weg bin.
Ich weiß nur, dass ich früh in meinem Medizinstudium die 1981 erschienenen »Sittlich-politischen Diskurse«
in die Hände bekam. Ich war fasziniert von ihm, weil er zu der Zeit als wir im Medizinstudium zum Beispiel uns damit beschäftigt
haben, welche neuen Möglichkeiten die Genetik bot. Als einer der Ersten hat er die daraus resultierenden ethischen
Dimensionen diskutiert: Welche Eingriffe ins menschliche Genom sind erlaubt? Welche sind wann, unter welchen
Umständen, sittlich geboten? Welche Eingriffe sind unethisch? Haben genetisch geschädigte Kinder ein
Klagerecht gegenüber den Eltern oder dem behandelnden Arzt?
Jetzt im näherrückenden Alt-Sein konnte ich sein Buch über's Altern nicht links liegen lassen. Sobald ich's fertiggelesen habe,
geht's hier im Text weiter...
Katja Petrowskaja: Vielleicht Esther
Das Buch ist mir beim Ausräumen unserer Wohnung in die Hände gefallen. Ich muss es vor 6-7 Jahren gelesen haben.
Die Autorin erhielt für dieses Buch 2013 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Jetzt ist es leider nur noch antiquarisch oder
als ebook erhältlich.
Seit 1999 lebt die 1970 in Kiew geborene Autorin in Berlin. In dem Buch beschreibt sie eine Reise zurück in den Osten um
Spuren ihrer jüdischen Großmutter zu finden. — In Kiew, Mauthausen, Warschau und Wien kann die Autorin
jeweils Fragmente ihrer Familiengeschichte dem Vergessen entreisen.
Eine Schwierigkeit habe ich mit dem Buch: Das ist der inhalts-assoziative Stil. Je nach Thema
springt die Autorin durch die Jahrzehnte und von Generation zu Generation. Ich muss mir dann immer wieder die
generationellen Zusammenhänge klarmachen, die die Autorin natürlich viel klarer vor Augen
hat. Da bin ich froh, wenn ich in meiner eigenen Familie den Überblick behalte. Das ist aber eine der Macken meines
Gehirns. Das spricht in keiner Weise gegen das Buch.
Horst Teltschik: Russisches Roulette
Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden
Horst Teltschik, der ehemalige außenpolitische Berater Helmut Kohls und langjährige Vorsitzende
der Münchner Sicherheitskonferenz hat dieses Buch im Jahre 2019 herausgebracht. In aus heutiger Sicht geradezu
hellseherischer Art und Weise zeigt er in dem Buch die seiner Meinung nach von der NATO
und deren Staaten im Umgang mit Russland gemachten Fehler auf:
Er moniert, dass im Jahre 2000 Putins Russland noch als
befreundetes Land gelten konnte, trotz der bereits 1999 erfolgten Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn in die NATO.
Als 2004 neben der Slowakei und Slowenien auch Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland und Litauen der NATO
beitraten, war das russische (Rest-)Einflussgebiet, bestehend aus Weißrussland und der Ukraine fast vollständig
von NATO-Staaten eingekreist. Was das in Russland auslösen könnte, wurde im Westen nur am Rande wahrgenommen und bedacht.
Immerhin hatte die deutsche Regierung 2008 einen NATO-Beitritt der Ukraine noch aktiv verhindert.
Wenn man bedenkt, dass im Jahre 1991 noch ein NATO-Beitritt Russlands erwogen worden war und dass Russland bis 1997 einen Sitz im NATO-Rat
innehatte, dann wird deutlich, wie wenig in der Folge auf die Befürchtungen Russlands geachtet wurde und wie wenig Wert
auf eine vertrauensbildende Politik gegenüber Russland Wert gelegt wurde.
Am Anfang der russischen Klage über die NATO steht immer noch James Bakers berühmte Formulierung „Not one inch eastward“,
die am 9. Februar 1990 in einem Treffen mit Gorbatschow fiel. Damals verzichtete Gorbatschow allerdings auf eine
schriftliche Fixierung dieser Aussage, die von amerikanischer Seite als Verhandlungsposition
und von russischer Seite als Zusicherung aufgefasst wurde.
All das rechtfertigt natürlich nicht den Angriffskrieg Russlands gegenüber der Ukraine, aber es lohnt sich,
das Buch zu lesen und zu überlegen, was wir in Zukunft besser machen können.
Hans Herbert Grimm: Schlump
Dieses Buch fiel mir kürzlich beim Räumen in die Hände. Meine Tochter hatte dieses Buch gelesen. Es ist gewissermaßen
die unbekanntere Variante zu Erich Maria Remarques Antikriegsbuch
»Im Westen nichts Neues«.
Der Autor hat an beiden Weltkriegen als Soldat teilgenommen. Während des zweiten Weltkriegs hatte er das Buch angeblich
vorsichtshalber in der Wand eingemauert, weil er Razzien der Nazis befürchtete. Schließlich gehört dieses Buch auch zu
den Büchern, die die Nazis verbrannt haben.
Das Buch war initial unter einem Pseudonym erschienen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg im Rahmen des Gedenkens an die
Autorinnen und Autoren der in der Nazizeit verbrannten Bücher lüftete die Schwiegertochter des Autors das
Geheimnis der Autorenschaft und stellte klar: Hans Herbert Grimm, ihr Schwiegervater, hatte diesen Roman über den 1. Weltkrieg
geschrieben.
Gerhard Polt: Hundskrüppel Lehrjahre eines Übeltäters
Selten habe ich beim Lesen eines Büchleins so oft gelacht, wie bei diesen Kindheitserinnerungen von Gerhard Polt.
Ein Beispiel:
»In einer Metzgerei aufzuwachsen ist ein Privileg, welches von anderen Kindkollegen nicht genug beneidet
werden kann. Wenn man im Besitz von echten Kuhaugen, Schweinsbladern, Ochsenfieseln oder gar Stierhörndln ist, dann hat es der liebe Gott
besonders gut mit einem gemeint. Im Gegensatz zu Brutstätten trostloser Fadheit, wie Kindergärten etwa, ist eine
Metzgerei ein Event-Paradies, und selbst die Horrorfilme für die Kleinsten sind eine matte Sache verglichen mit einer
Hinrichtung – der Enthauptung eines Gockels zum Beispiel –, wo man in der ersten Reihe sitzt, wo das echte Blut spritzt und man mit ansehen
darf, wie der Kopf abfällt, während der Rest des Gockels noch über den Schuppen fliegt. ... «
Ausgesprochen langweilig war es in Gerhard Polts Kindheit anscheinend nicht. In dem Stile geht es weiter ... und wenn Vieles bei
ihm ganz anders war als in meiner Kindheit, er ist ja auch 20 Jahre älter als ich, so erkannte ich doch manches von dem wieder, was da in seiner
Zeit los war.
Burkhard Wehner: Jahrtausendwende
Roman über die Demokratie
Dieses Buch ist mir beim Räumen in unserer Wohnung in die Hände gefallen. Wie bei so manchen Schätzen dort,
kann ich mich gar nicht mehr erinnern wann und unter welchen Umständen ich zu diesem Buch gekommen bin. Es ist aktuell auch nur noch
antiquarisch erhältlich
Der Roman wirkt im Jahre 2023 ziemlich aus der Zeit gefallen: Er spielt in der schon-PC- aber noch nicht
Handy-Zeit. Die Protagonistinnen des Romans schreiben ihre Gedanken selbst auf und benutzen dafür Stift und Papier.
Diese beschriebenen oder bedruckten Papiere schicken sie dann, mit Hilfe einer heute kaum mehr bekannten Institution,
der »Deutschen Post« (schon seit 1995 nicht mehr »Bundespost« !), den Anderen zu. Diese Leute wissen also noch, was
»ein Briefkasten« ist und wo sich ein solcher befindet. Dank dieser Beförderungsart sind diese Papiere auch nicht
sofort bei der Adressatin, dem Adressaten verfügbar.
Aber nun zum Eigentlichen: Für mich liegt die Stärke des Buchs nicht in der Handlung. Einzig die darin enthaltenen und
diskutierten Ideen über die Demokratie sind interessant. Über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sehe
ich gerade
hier im Osten bei vielen hier lebenden Mitmenschen immer noch massive Mängel im Demokratieverständnis. Der Staat, das sind in der Regel
immer noch »die da oben«, die machen was sie wollen, wo wir keinen Einfluss haben. Allerdings gebe ich mich keinen
Illusionen hin: Auch im Westen Deutschlands ist es leider nur eine kleine Minderheit, die sich politisch engagiert.
Nochmal: Der Wert des Buches liegt nicht in seinem Unterhaltungswert, sondern darin, dass es anregt sich über unser
demokratisches Gemeinwesen wieder Gedanken zu machen.
Klaus Kordon: Die Zeit ist kaputt Die Lebensgeschichte des Erich Kästner
Neben vielen historischen Büchern hat Klaus Kordon auch eine Art Biographie über Erich Kästner geschrieben. Während andere
Werke eher Kästner als Kinderbuchautor würdigen, zeigt Klaus Kordon auch die anderen Seiten Erich Kästners: Er war ja auch
„Satiriker, Journalist, Lyriker und Moralist - ein hellwacher Beobachter seiner Zeit” steht
korrekterweise in der Besprechung zum Buch
auf buecher.de.
Erich Kästner war sogar dabei als die SA-Leute seine Bücher ins Feuer warfen. Zum Glück wurde er von denen damals nicht erkannt. Obwohl
er ein klarer Gegner der Nazis war, ist er nicht emigriert. Er hätte mehrmals Gelegenheit dazu gehabt. Dass er nicht emigrierte,
wurde ihm nach dem
Krieg auch zum Vorwurf gemacht. Seine Kinderbücher waren in der deutschen Bevölkerung sehr beliebt und waren Bestseller.
Das mag einer der Gründe gewesen sein, warum die Nazis ihn nicht einfach einsperrten und umbrachten. Gerettet hat ihn ferner,
dass er seit dem 1. Weltkrieg ein Herzleiden hatte und damit für den Dienst als Soldat untauglich war. Er war außerdem ein gefragter
Drehbuchautor und Filme wurden noch bis zum Ende des Krieges gedreht. Der Bevölkerung sollte damit suggeriert werden:
Trotz des Krieges läuft in Deutschland alles nach Plan und wir können so weitermachen bis zum Endsieg.
Das Kriegsende erlebte
Kästner in Österreich als Mitglied eines Teams, welches den Dreh eines Durchhalteparolenfilms simulierte. Damit
wurde effektiv verhindert, dass die Crew-Mitglieder zur Wehrmacht eingezogen wurden. Wenn das aufgedeckt worden wäre,
wären sicher alle hingerichtet worden.
Arthur Koestler: Gladiatoren Leider gibt's das Buch aktuell nur antiquarisch.
1939 erschien Arthur Koestlers Debüt-Roman „Gladiatoren”, in dem er die Geschichte vom Aufstand des Sklaven Spartakus gegen die
römische Sklaverei beschreibt. Koestler erzählt die Geschichte als eine aus Gewalt geborene Rebellion. Es ist die Abrechnung mit
gewalttätigen Regimen, wie dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus.
Was viele nicht wissen: Bei der heute
vorliegenden Ausgabe handelt es sich um eine Rückübersetzung aus dem Englischen. Die deutschen Originalmanuskripte sind
Arthur Koestler auf der Flucht vor den Nazis nach England verloren gegangen. Wahnsinn, wenn man sich das überlegt, was diese Leute durchmachen
mussten!
Isabel Allende: Das Geisterhaus
Isabell Allendes Großonkel, Salvador Allende, war von 1970 is 1973 Präsident von Chile. Er wollte eine demokratisches an
sozialistischen Idealen orientiertes Staatswesen errichten. 1973 putschten die Militärs um Augusto Pinochet und
errichteten eine lange Jahre andauernde Militärdiktatur.
Isabel Allendes Erstlingswerk (bei Suhrkamp 1984 erstmals auf deutsch erschienen) wurde gleich ein Bestseller. Das Buch erzählt die Geschichte einer
großbürgerlichen Familie in Chile. Esteban Trueba der Familienvater ist ein gewalttätiger Patriarch. Seine
ganze Umgebung hat unter ihm zu leiden: Seine Bauern behandelt er wie Leibeigene. Er unterdrückt auch seine eigene Familie.
Es kommt zum Putsch gegen den sozialistischen Staatspräsidenten, Isabells Großonkel. Unter der nachfolgenden
Militärdiktatur herrschen Terror und Verfolgung. Auch die Familie Trueba ist betroffen. Isabel Allende beschreibt
das alles. Die Autorin stellt aber der grausamen Wirklichkeit eine magisch anmutende Fantasiewelt gegenüber, die die
Düsternis immer wieder mit Hoffnungsschimmern aufhellt. Das macht die Lektüre all dieser Gräuel erträglich, ja sogar schön.
Klaus Kordon: 1848 Die Geschichte von Jette und Frieder
1848 ist der erste Teil einer Trilogie von Klaus Kordon über die Welt des 19.Jahrhunderts in Deutschland. Die anderen beiden Bände
Fünf Finger hat die Hand und
Im Spinnennetz sind
Teil 2
und 3 der Trilogie.
Anhand der Liebesgeschichte zwischen dem 15-jährigen Waisenmädchen Jette und dem 17-jährigen Zimmermann Frieder gelingt es
Klaus Kordon
aufzuzeigen, unter welchen Verhältnissen die Menschen im vorrevolutionärem Berlin damals ihr Leben fristen mussten.
Möglicherweise hätte es eines solchen Buches bedurft, dass ich mich damals im Gymnasium mehr für das Fach Geschichte interessiert hätte.
Viele meiner Kolleginnen und Kollegen pflegen die Ansicht, dass „die da oben” sowieso machen, was sie wollen und dass das aktuelle
politische System doch „völlig korrupt” sei. Sie sollten dieses Buch lesen, um zu begreifen, was es wirklich bedeutet in einer
Gesellschaft ohne Freiheit der Presse, ohne unabhängige Berichterstattung, ohne unabhängige Richter, ohne am Gesetz
orientierter Rechtssprechung und ohne gleiches Recht für Alle zu leben.
Dabei bin ich weit davon entfernt zu behaupten, bei uns wäre alles
in Ordnung, der Ausgleich zwischen Oben und Unten, zwischen Arm und Reich, zwischen Alt und Jung wäre schon gelungen. Es gibt noch viel zu tun .... Aber es ist wichtig,
dass wir auch dankbar sehen, wie gut es uns doch im Vergleich zu den Menschen in Deutschland im Jahr 1848 geht und was für eine Wert es ist, in einer Gesellschaft zu leben, wo man sich
für seine Meinung engagieren kann, darf und soll und wo man sich gegen Ungerechtigkeiten häufig mit Erfolg zur Wehr setzen kann.
→ Pflichtlektüre!
Jasmin Schreiber: Marianengraben
Auf dem Friedhof treffen sich zufällig nachts die junge Paula, deren geliebter jüngerer Bruder im Alter von 10 Jahren verstorben ist, und der
alte Mann, Helmut, dessen Ex-Ehefrau dort ebenfalls beigesetzt ist. Die Notwendigkeit einen Weg zu finden mit der Trauer adäquat umzugehen
um weiterleben zu können, schweißt die beiden ungleichen Protagonisten auf ihrer Reise durch fast ganz Deutschland zusammen.
Die Rückseite des Buches ziert ein Satz von Sascha Lobo: »Eigentlich
kann man gar kein Buch schreiben, das vom Sterben handelt, gleichzeitig sehr lustig und tieftraurig ist, sich aber anfühlt wie ein Roadmovie.«
Das trifft die Sache genau. Man muss oft lachen, aber es ist kein albernes Gewitzel. Ein Meisterstück!
Hans-Dieter Schütt: Regine Hildebrandt Ich seh doch, was hier los ist
Es gibt in dem Buch eine Passage, in der aus einer Rede von Günter Grass zitiert wird,
die er 1992 in den
Münchner Kammerspielen gehalten hat. Er beschreibt darin eine »verhärtete Fremdheit« zwischen Ost- und Westdeutschen.
Östlich der Elbe, sagte er, »liegt das Kind im Brunnen und schreit. Selber reingefallen und schreit. Was soll dieses Plärren? Da hört man schon nicht mehr hin!
— Einzig die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt hat Stimme genug, dem schreienden Kind zumindest
zeitweilig Gehör zu verschaffen. Sie nennt das anhaltende Unrecht beim Namen. Diese Frau sprengt, sobald sie auftritt, die Mattscheibe. Sie straft
die landesübliche Ausgewogenheit Lügen. Ihre Penetranz ist erfrischend, ihre Rede leidet nicht unter Glätte.«
Das mit dem »schreienden Kind«, trifft unser Verständnis der damaligen Situation, das wir im Westen hatten: Die Ossis sind
bereitwilligst der Lüge Helmut Kohls von den „blühenden Landschaften” gefolgt. Das haben sie jetzt davon! Was soll das
Herumgeheule, die haben es sich so ausgesucht — auch wenn sie letztlich nicht alle verstanden hatten, wofür sie sich da entschieden
hatten! Unkenntnis schützt in einer Demokratie nicht vor der Verantwortung für eigene (Fehl-)Entscheidungen!
Ich habe das Buch vor Allem deshalb gerne gelesen, weil es mir noch einmal aus der Perspektive einer Frau aus dem Osten, die dem Regime kritisch
gegenüber stand, die Ereignisse der Wendezeit vor Augen geführt hat, von denen wir viele schon wieder vergessen haben oder
einige gar nicht mitbekommen haben.
Es sei mir erlaubt, noch zwei Sätze aus dem Buch zu zitieren: »Ich will dafür sorgen, daß uns morgen in Brandenburg nicht nur Golfbälle um die Ohren
fliegen.« – »Ich will mich nicht an eine Realität gewöhnen, bei der Menschen in Pappkartons auf der Straße liegen.« ←
Sätze, die sich im heutigen Politikbetrieb niemand mehr zu sagen traut, obwohl sie heute nicht viel weniger Aktualität haben
als damals.
Wilhelm Genazino: Tarzan am Main Spaziergänge in der Mitte Deutschlands
Berufliche „Zufälle” ... und plötzlich hatte ich Ende des Jahrtausends eine Stelle als IT-Controller
in Frankfurt am Main. Das hieß arbeiten in der Metropole und wohnen
im Frankfurter Umland, in der Provinz.
Das Büchlein habe ich nach Jahren jetzt über Weihnachten wieder einmal aus dem Bücherschrank gezogen. Es ist eine
literarische Betrachtung der Spannung zwischen Provinz und Metropole, zwischen vertrauter Umgebung
und Weltoffenheit. Frankfurt steht für mich für Beides und schöner als in diesem Büchlein fand ich's nirgends beschrieben.
Eduard von
Keyserling:
Wellen
Auf dem Exemplar, welches ich von der Stadtbücherei ausgeliehen habe, steht hinten ein Zitat von
Jens Malte Fischer „Keyserling ist der wahrscheinlich
unbekannteste große deutsche Erzähler des Jahrhunderts.” (← gemeint ist da das 20. Jahrhundert).
In Anbetracht dessen, dass sein Autor kaum bekannt ist, scheint es auch das Romanwerk mit den unterschiedlichsten
und verschiedenartigsten Ausgaben zu sein.
Wenn man sich in den 1911 erstmals erschienenen Roman vertieft, denkt man zuerst, „Was für ein oberflächliches
adlig-bürgerliches Gequatsche!”. Liest man weiter, dann wird einerseits das ganze Elend einer
Gesellschaft offenbar, in der die Heldin Doralice, aufgrund ihrer Trennung von ihrem Ehemann
eigentlich als nicht mehr gesellschaftsfähig gilt. Andererseits gelingt es von Keyserling meisterhaft
ganz unlangweilig, das resultierende Beziehungsgeflecht aufzuzeigen. Am Schluss fragt man sich
sogar, ob die Personen des Romans trotz ihres "eingemauert Seins" in gesellschaftlichen Konventionen
nicht doch freier sind, als wir, da für uns doch scheinbar keine gesellschaftlichen einengenden Konventionen
unseren Alltag regeln ... . Dass diese Zweifel aufkommen, mag aufzeigen, wie meisterlich der Autor diese
uns fremde Gesellschaft schildert. Ich zähle das Buch jedenfalls ab sofort zu den großen Werken, die man gelesen
haben muss.
Paul Maar: Wie alles kam Roman meiner Kindheit
Paul Maar, der Sams-Erfinder, schildert in dem Buch seine Kindheit in einem Ort bei Schweinfurt. Es geht darum, wie er seine Mutter verlor,
den aus dem Krieg heimkehrenden Vater nicht erkannt hat, was offenbar zu einer fortdauernd schwierigen Vater-Sohn-Beziehung
beigetragen hat. Das Buch fasziniert wegen des geschilderten Muts und der Energie, mit der er dem Leben trotz widriger Umstände
das Beste abgetrotzt hat.
Christiane Hoffmann: Alles, was wir nicht erinnern Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters
Christiane Hoffmann schildert zu Beginn des Buches, wie in ihrer Kindheit die Erwachsenen über
die verlorene Heimat, Rosenthal in Schlesien, geredet
haben. Das erinnert mich an die Erzählungen
meines Onkels Alfred, der aus Königsberg stammte. Zeit seines Lebens gab es praktisch keine Begegnung mit ihm,
während der nicht der Verlust seiner Heimat zur Sprache kam und was „der Russe” alles verbrochen hatte.
Paradoxerweise helfen mir diese Kindheitserinnerungen im Umgang mit meinen Patienten,
die in ihrer Kindheit ein ähnliches Fluchtschicksal erleiden mussten.
Der eigentliche Wert des Buches liegt aber nicht nur darin, dass Christiane Hoffmann ihren Weg beschreibt. Noch
interessanter sind die Begegnungen mit den Menschen, die heute dort vor Ort wohnen. Zu Beginn des Weges
sind das Polen, deren Vorfahren ihrerseits aus Galizien, aus der heutigen Ukraine vertrieben
wurden. Es wird nirgends die Schuld der Deutschen am zweiten Weltkrieg in irgendeiner Weise beschönigt, aber
man bekommt durch das Buch doch ein sehr differenziertes Bild über die Befindlichkeiten der dortigen
Bevölkerung. Man muss sich schon wundern ... . Während im Südwesten Deutschlands viele Französisch gelernt haben
und sich heute auf Französisch gut verständigen können, ist dergleichen in den östlichen Gebieten Deutschlands
gar nicht der Fall ... Niemand lernt Polnisch. ... Na ja, in Bayern lernt auch niemand Tschechisch, eher Latein....
Bernd Stegemann: Die Öffentlichkeit und ihre Feinde
Der politisch links stehende Bernd Stegemann hat einst Philosophie, Germanistik und
Erziehungswissenschaften an der FU Berlin und an der Universität Hamburg studiert. Er ist heute tätig als
Dramaturg und ist auch Professor an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in berlin. Er ist für dieses Buch von allen
Seiten massiv angegriffen worden. Von den Linken, weil er deren Diskursverhalten kritisiert hat, ... von den
wirtschaftsfreundlichen Kreisen, weil er die These vertritt (die ich übrigens nicht teile), dass die aktuelle
Diskurssituation eine mit Absicht herbeigeführte oder begünstigte Folge unseres
neoliberalen Wirtschaftens sei, ... von den Konservativen und zugleich von den Sozialwissenschaftlern, weil er sich
gewissermaßen als
„Fachfremder” anmaßt eine soziologische Analyse unserer aktuellen
gesellschaftlichen Situation zu veröffentlichen.
Um diesen Shit-Storm beneide ich ihn nicht, aber ...
So richtig konnte ich bisher nicht verorten, woran es liegt, dass ich unsere bundesrepublikanische
Gesellschaft immer debattierunfähiger erlebe. Da hat mir dieses Buch die Augen geöffnet.
Selbst auf die Gefahr hin, dass das die Sache jetzt sehr verkürzt erscheinen lässt, möchte ich aus dem Buch zitieren:
»Grenzenlosigkeit,
Diversität und Globalisierung werden nicht mehr als konkrete Machtverhältnisse beschrieben, sondern
als allgemeine Werte für gut erklärt. So ist jede Kritik daran unmöglich, da der Kritisierende sich auf die
moralisch böse Seite stellt. Und schließlich führt der neoliberale Umbau dazu, dass in der Öffentlichkeit nicht
mehr Widersprüche, die alle betreffen ausgetragen werden, sondern jeder als privates
Individuum dort auftritt. ... Gereiztheit und Gekränktheit sind die beiden Grundemotionen
spätmoderner Öffentlichkeit.«
Im Prinzip behauptet er (so wie im obigen Zitat zum Neoliberalismus aufgezeigt), dass kritische Stimmen,
Meinungen und Handlungen in unserer aktuellen Diskurssituation eher erst einmal diffamiert und
moralisch niedergemacht statt gehört und wahrgenommen werden.
Schönstes aktuelles Beispiel ist für
mich der Versuch die Straßenkleber der Last-Generation mit den Terroristen der RAF moralisch und rechtlich auf eine
Stufe zu setzen. . „Was ist da gerechtfertigt?” „Wenn die Schweinebauern die Straße blockieren, dann gibt es
Politiker, die da noch hinfahren und ihre Solidarität mit den Schweinebauern bekunden!”
„Nötigung bleibt Nötigung!” „Die Wochenzeitung die Zeit hat extra einen
ganzen Abschnitt mit der Diskussion gefüllt,
inwiefern blockierte Autofahrer berechtigt sind die Blockierer von der Straße zu entfernen!” Was war gerade das Thema? Straßenblockade,
RAF, Notwehr, Klima,
Krise. Wer jetzt noch nicht die Schnaue voll hat von der „Diskussions . . . ” .
Diese
Mechanismen beschreibt Bernd Stegemann als öffentlichkeitsfeindlich und er macht sich die Mühe, auch
Diejenigen zu benennen, die jeweils ihren Beitrag dazu leisten, dass das so bleibt. Nicht ganz einfach zu lesen, aber
aufschlussreich und wert zu diskutieren!
Jan Guillou: Die Brückenbauer / Brückenbauer Bd.1
Ein faszinierendes Buch über drei Fischerjungen aus Norwegen, die zu Halbwaisen werden. Dank eines
Stipendiums können sie studieren und werden die besten Brückenbauer des Landes.
Lars Jaeger: Emmy Noether Ihr steiniger Weg an die Weltspitze der Mathematik
Biographien lese ich eigentlich kaum, das ist nicht so mein Ding. Diese Biographie über Emmy Noether habe ich aber fast
in einem Rutsch durchgelesen. Es war nicht der unglaubliche Männerdünkel oder der konsequent
diskriminierende Umgang, dem Emmy Noether zeitlebens ausgesetzt war, die mich faszinierten,
nein. — Emmy Noether hat die abstraktesten, am wenigsten anschaulichen Themen der Mathematik
bahnbrechend weiterentwickelt. So verhalf sie beispielsweise Albert Einstein dazu, das
mathematische Grundgerüst zu seiner allgemeinen Relativitätstheorie
widerspruchsfrei zu formulieren. Sie war in regem Austausch mit den führenden Mathematikern und
Physikern ihrer Zeit und die schätzten ihre Arbeit.
Lars Jaeger ist es gelungen, diese Themen auch für Leute mit mathematischer Halbbildung, wie mich,
anschaulich (nein, das ist unmöglich) verständlich darzustellen. Denen, die zumindest
einen Mathe-Leistungskurs erfolgreich besucht haben, kann ich das Buch deshalb uneingeschränkt empfehlen.
Christoph Peters: Dorfroman
Wir befinden uns in den 70er-Jahren in Hülkendonck, einem kleinen Dorf am Niederrhein, nahe Kalkar, wo der
schnelle Brüter gebaut werden soll, wo für die katholisch geprägte
Bevölkerung der sonntägliche Kirchgang Pflicht ist und wo nur der (Farb-)Fernseher die weite Welt ins Haus bringt.
Das und, wie das Projekt „Schneller Brüter” die Gesellschaft spaltet, schildert der Dorfroman.
Wenn mich ich heute aufrege und es beängstigend finde, wie Zukunftsfragen zu Verwerfungen in
unserer Gesellschaft führen, so führt mir dieses Buch vor Augen, dass es solche Verwerfungen schon früher
gab. Offenbar habe ich sie damals nicht als so bedrohlich wahrgenommen.
Obwohl ich niemals ein 100-prozentiger Atomkraftgegner war, bin ich heute froh, dass wir in Deutschland den
Ausstieg aus der Energieerzeugung mittels Atomkraft fast geschafft haben.
Tatsächlich macht mir das Buch indirekt, ohne dass das Absicht des Autors ist, Mut, dass wir es heute auch wieder
schaffen uns den Zukunftsfragen, wie
- Klimawandel oder
- Verringern Spaltung zwischen Arm und Reich oder
- Pflege im Alter zu stellen
zu stellen.
Marietta Slomka: Nachts im Kanzleramt Alles, was man schon immer über Politik wissen wollte
Ich bin erstaunt und neugierig wo sich Marietta Slomka nachts so rumtreibt . . .
Wo – erfahren Sie, wenn ich das Buch gelesen habe — Na ja, 'mal sehen!
Nachdem ich es gelesen hatte, musste ich leider feststellen:
Für mich ist das Buch ein totaler Fehlkauf – nicht deshalb, weil ich immer noch nicht weiß,
was nachts im Kanzleramt passiert oder wo sich Marietta Slomka nachts so rumtreibt . . .
Das Buch ist, abgesehen vom Titel, das beste Lehrbuch über Politik und Demokratie,
welches ich je in den Händen gehalten habe.
Für einen politisch Interessierten, wie mich, bringt es aber leider nichts Neues.
Aber ich werde es meiner Tochter geben. Ich bin neugierig, was die dazu sagt.
Anne-Ev Ustorf: Wir Kinder der Kriegskinder
Das Buch zeigt auf, wie auch unsere Generation in
ihren Haltungen und Gewohnheiten noch vom zweiten Weltkrieg geprägt ist
— und zwar auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Alle Baby-Boomer
sollten's lesen.
Juli Zeh: Über Menschen
Juli Zeh: Unterleuten
In gewisser Weise ist der Roman „Über Menschen” die Fortsetzung
von „Unterleuten”. Das Buch Über Menschen beschreibt, was passiert, als
eine Berliner Großstädterin in Corona-Zeiten vor ihrem
in Klimafragen sich immer ideologischer gebärdenden
Partner in die Brandenburgische Provinz flieht. Da holen sie Fragen ein wie:
Welche Leute sind für mich wichtig für den alltäglichen Umgang?
Wie mit dem Nachbarn umgehen, der von sich selbst sagt, er sei der Dorf-Nazi?
Denis Scheck sagte dazu: »Ein Buch, das einem die Augen öffnet für unsere
bundesrepublikanische Wirklichkeit.« Die eigentliche Frage
ist aber, welche „Wirk”–lichkeit wir zulassen wollen bzw. zulassen können.
Zum Roman Unterleuten ist auf
buecher.de
zu lesen:
» Unterleuten ist ein Ort im Bundesland Brandenburg, an dem Juli Zeh
in ihrer Phantasie rund zehn Jahre verbracht hat. Sie kennt diesen Ort wie kaum ein
anderer. Sie kennt alle Einwohner, jede Hausecke, jeden Stein.
Der Gesellschaftsroman Unterleuten stellt sich dem „Kampf der
Kulturen“. Große kulturelle Unterschiede
gibt es bekanntermaßen zwischen Ost und West, zwischen Morgenland
und Abendland, zwischen Islam und Christentum. Doch Juli Zeh stellt in
ihrem Buch fest, die Unterschiede auf der ganzen Welt bestehen
vor allem zwischen Stadt und Land. So zeigt sie die Differenzen zwischen
einem Berliner und einem Einwohner des kleinen Örtchens
Unterleuten auf. «
Matthias Kehle, Chris I. Soppa: Das gibt es nur am Bodensee
Das Buch habe ich meinem Vater geschenkt. Keine große Literatur, aber wenn man das Büchlein durch hat, dann weiß man über viele Schätze und Sehenswürdigkeiten am Bodensee
Bescheid und hat zugleich noch etwas über die lokale Geschichte erfahren. Ich weiß nicht, warum das Buch gerade verramscht wird.
Maja Göpel: Wir können auch anders Aufbruch in die Welt von Morgen
Insgesamt 57 Cent Kosten erspare ich der Gesellschaft (nicht mir selbst) für
jeden Kilometer, den ich mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zurücklege.
So habe ich das noch nie gesehen.
In dem Buch geht es unter Anderem darum, dass wir bei den aktuellen
Diskussionen nicht nur darauf achten dürfen, was uns das kostet, wenn wir
„Das oder Das” verändern. Nur wenn wir auch darauf schauen, was es
uns kostet, wenn wir „Das oder Das” nicht verändern, stimmt die Kalkulation.
Das Buch zeigt auf, wie uns das systemische Denken abgeht und
wie uns das systemische Denken weiterbringen kann, wenn es um
die aktuellen Bedrohungen, wie Erderwärmung oder
soziale Ungerechtigkeit oder Wiedererkennen
der (Selbst-)Wirksamkeit der gesellschaftlichen Gruppen geht.
Maja Göpel erklärt wunderbar, wie es passieren konnte,
dass eine schwedische Schulschwänzerin die Ikone der neuen Klimabewegung
wurde. Nach dem Lesen des Buches haben wir eigentlich keine Ausrede mehr und können nicht sagen,
wir seien zu unbedeutend, zu unfähig oder zu unbekannt, um etwas verändern zu können.
Das Buch raubt mir die Rechtfertigung, mich mit den Worten „das wird ja eh nicht klappen”
zurücklehnen zu können, um mich „Not-gedrungen” der selbstgerechten
Untätigkeit hinzugeben. Besser nicht lesen!
Sue Monk Kidd: Die Bienenhüterin
Dieses Buch habe ich in der Ferienwohnung im Urlaub entdeckt.
Ein sehr US-amerikanisches Buch.
Es war in den USA über lange Zeit Nr 1.-Bestseller. Es geht um ein
Schusswaffenunglück, um
einen gewalttätigen Vater, um aus rassistischen Gründen
misshandelnde Polizisten und um 3
schwarze Schwestern (Ohh Nein! Ich muss ja schreiben: „3 Schwestern,
people of color”!), 3 Imkerinnen, welche dem Mädchen und seiner
Freundin Liebe entgegenbringen und Geborgenheit verschaffen.
Es ist in zweiter Linie ein Roman über das Verhältnis von schwarzer
und weißer Bevölkerung in den Südstaaten der USA und es sind hier die
Schwarzen, die einem weißen pubertierenden Mädchen helfen
erwachsen zu werden und ihre traumatische Familiengeschichte
zu überwinden.
Sorry, wenn ich mich hier über Gender- und Minderheiten-gerechte Sprache
lustig zu machen scheine. Ich bin da etwas empfindlich, aus dem Wissen heraus,
dass die Verwendung „korrekter Sprache” noch lange
nicht bedeutet, dass die Autor(inn)en solcher Texte auch wirklich eine
adäquate innere Haltung haben. Besonders falsch finde ich,
wenn man alle Spuren einer aus heutiger Sicht „nicht korrekter
Sprache” zu tilgen versucht. Dadurch geht das Wissen verloren,
wie früher geredet wurde und der Fortschritt im Denken wird unsichtbarer.
Wenn also, wie ich im Urlaub in Konstanz
bemerkt habe, eine
Mohren-Apotheke nicht mehr Mohren-Apotheke heißen darf...
Für mich ist Mohr zunächst einmal eine historische Benennung
eines Menschen mit schwarzer Hautfarbe und keine Herabwürdigung.
Anders würde ich es sehen, wenn die Apotheke
„Neger-Apotheke” heißen würde.
Eva-Maria Hagen: Eva und der Wolf
Buchtitelbild © www.eva-maria-hagen.de
Aus Anlass des Todes von Eva-Maria Hagen habe ich mir dieses Buch aus der
Stadtbücherei geholt, welches ich nur empfehlen kann. Wenn man
etwas über Wolf Biermann erfahren will, dann dort. Leider gibt's das Buch nur
antiquarisch. Aber vielleicht wird es ja jetzt nochmal neu aufgelegt.
Susan Neiman: Warum erwachsen werden? Eine philosophische Ermutigung
Ich erinnere mich noch, wie uns im Gymnasium die Philosophie
Rousseaus „nahegebracht” wurde: Es wurde eher abfällig von
der so genannten »Rousseau'schen Idylle« gesprochen und Rousseau
unterstellt, er habe die Kinder ohne Erziehung und Kulturtechniken,
»nur in der Natur« aufwachsen lassen wollen. Was dabei herauskomme,
wurde uns vor Augen geführt, könne nur eine
Kaspar Hauser-ähnliche Kreatur sein.
Damit war für uns die Philosophie Rousseaus ein für alle Mal als »Quatsch«
diskreditiert.
Erst beim Lesen dieses Buches von Susan Neimann habe ich verstanden,
was für ein Unsinn uns da erzählt wurde: In seinem Roman Emile schildert
Rousseau Methoden um Kinder an das Leben heranzuführen, die heute
als modern gelten: Interesse wecken, erlebnisorientierte
Pädagogik (Sternbeobachtung im Wald, Orientierung
anhand der Sterne um den Nach-Hause-Weg zu finden).
Letztlich beschreibt Susan Neimann Erwachsen-Werden als Weg aus der
Unmündigkeit - ganz im Kant'schen Sinne. — Macht Spaß zu lesen!
Sabine Ebert: Die zerbrochene Feder
Sabine Ebert hat einen guten Ruf als Autorin gut
recherchierter historischer Romane. Es geht um die Zeit
ab Ende 1815: Napoleon ist besiegt und es ist die Zeit der
Restauration. Nicht nur die alten Herrscher erhalten ihre
Macht zurück, nein auch Bürgerrechte und gesellschaftliche
Fortschritte, die die Herrschaft Napoleons eben auch mit sich
gebracht haben, werden wieder rückgängig gemacht.
Es geht um das Schicksal einer jungen Witwe, deren Schilderungen
des Kriegsleids nicht nur bei den wieder eingesetzten Zensoren
sondern auch an höchster Stelle missfällt, weshalb sie kurzerhand aus
Preussen verbannt wird. Dabei hat sie noch das Glück bei ihrem Onkel im
sächsischen Freiberg aufgenommen zu werden. Aber gerade
auch in Sachsen wurde das Rad zurückgedreht: Auch hier gibt es verschärfte
Zensur. Kein Gedanke an Pressefreiheit. Es kommt sogar zu
Bücherverbrennungen. Attentate werden als
Heldentaten gefeiert.
Wie immer in Sabine Eberts
Büchern wird einem die historische Situation plastisch vor
Augen geführt und man kann sich vorstellen, wie sich die Menschen
damals gefühlt haben mussten. Am Ende schaffen es die Held(inn)en
der Bücher Sabine Eberts aber aus ihrem Leben etwas
zu machen. - Tolles Buch!
Sabine Eberts 5-bändige Buchreihe über die Barbarossa-Ära und
Sabine Eberts 5-bändige Hebammen-Buchreihe habe ich vor Jahren jeweils komplett gelesen. Es lohnt sich!
Christoph Hein:Trutz
Das Buch erzählt die Geschichte zweier Familien über 2
Generationen. Eine davon ist die Familie „Trutz”.
Vater Trutz ist Buchautor und Journalist. Als religiöser
Sozialist traf er sich in den Dreißigerjahren des
vergangenen Jahrhunderts jede Woche mit
Gesinnungsgenoss(inn)en
in einem Gesprächskreis, der von der Theologie des
in Frankfurt lebenden und lehrenden
Paul Tillich
ein deutscher
und später US-amerikanischer protestantischer
Theologe inspiriert war.
In dem Kreis lernte er auch seine Lebensgefährtin und
spätere Ehefrau kennen.
Nach der Machtergreifung Hitlers verlor er seine Stelle
bei der Zeitung und bekam auch als freier Journalist keine
Aufträge mehr. Schlimmer noch: Der Inhaber des Verlags,
der seine Bücher herausgegeben hatte,
machte ihn für den Image-Schaden verantwortlich,
der dem Verlag daraus entstanden sei, als die Nationalsozialisten
Trutz' Bücher auf die schwarze Liste gesetzt hatten.
Dadurch wurden die Bücher unverkäuflich.
Aus dem Kreis der religiösen Sozialisten erhielt
nur der spiritus rector Paul Tillich selbst das erhoffte
Visum für eine Ausreise in die USA. In letzter Sekunde
gelang es Trutz und seiner Lebensgefährtin,
dank der Hilfe einer in der sowjetischen Botschaft
tätigen Freundin, ein Visum für die Sowjetunion zu
bekommen und nach Moskau zu fliehen.
In Moskau hatte er keine Chance in seinem alten Beruf zu
arbeiten. Er musste froh sein, eine Stelle als Bauarbeiter
in der internationalen Brigade
„Karl Marx” zu bekommen. Intern wurde so ein
Mitglied der Brigade als
дермовщик bezeichnet, was sich,
wenn man höflich ist, mit „Kloputzer” übersetzen
lässt. Da ging es seiner Ehefrau in ihrer Stelle in der
Schokoladenfabrik schon besser. Das Paar pflegte Freundschaft
mit der Familie eines Professors, der mit seinem Sohn und dem Sohn
der Familie Trutz Gedächtnisübungen machte.
Nach einigen glücklichen Jahren trifft die beiden
Familien das ganze Ausmaß der Repression, welches in der damaligen
Sowjetunion herrschte. Es kommt zur Verbannung nach Sibirien.
Erst Jahrzehnte später treffen sich die Söhne beider Familien in
Deutschland wieder.
Wer bis dahin noch nicht abgeschreckt ist, dem empfehle ich dieses
Buch. Die (Nicht-)Reaktionen der russischen Zivilgesellschaft
auf die aktuellen Ereignisse versteht man besser,
wenn man sich mit Hilfe dieses Buches klar macht, dass es in den vergangenen
100 Jahren nur eine kurze Phase der gab, in der in Russland freie
Meinungsäußerung ohne negative Konsequenzen
möglich war.
Steffen Kopetzky: Monschau
Westdeutschland, die Eiffel zu Beginn der 60er-Jahre. In dem Ort Monschau
brechen die Pocken aus.
Keine Pandemie, aber doch eine Epidemie mit allen bekannten
Schikanen: Quarantäne für ganze Familien,
Überforderung der lokalen Medizininfrastruktur
(Ein Krankenhaus muss gesperrt werden und kann keine Kranken mehr aufnehmen).
Es gibt dennoch den teils hilflosen Versuch das „normale Leben”
weitgehend, wie bisher, aufrecht zu erhalten. Aus Düsseldorf kommt
ein Professor samt Assistent, der den Krisenstab leitet.
Tatsächlich beruht das Buch auf einem realen Ereignis,
einer Pocken-Epidemie Anfang der 60er-Jahre in der Eiffel.
Überraschend aktuell ... und doch wieder nicht, denn die
gesellschaftlichen Regeln haben sich seit den 60er-Jahren doch verändert...
Christoph Hein: Gegenlauschangriff
Anekdoten aus dem letzten deutsch-deutschen Kriege
Christoph Hein: Guldenberg
Christoph Hein: Landnahme
„Gegenlauschangriff” bietet einen tiefen Einblick
in das Leben eines Literaten in den letzten
20 Jahren der DDR und den ersten Jahren des wiedervereinigten Deutschland.
Die Aussage des Klappentexts, dass dies Christoph Heins persönlichstes Buch sei,
kann ich nur bestätigen.
Dass die „Wiedervereinigung” der beiden deutschen Staaten,
in vielerlei Hinsicht letztlich ein Anschluss der ehemaligen DDR an die
Bundesrepublik war, das ist inzwischen hinlänglich bekannt. Aber
neu waren für mich die Details, die Christoph Hein schildert. Für viele Kulturschaffende
brachte das Ende der DDR eben nicht die erhoffte neue Freiheit und die erhofften
neuen Möglichkeiten. Im Gegenteil: Sie sahen sich plötzlich einem
Konkurrenzkampf ausgesetzt, in dem sie, die Neuen, die Nicht-Etablierten
waren und deshalb wieder einmal diejenigen, die zurückstecken mussten
und es schwer hatten.
Mit „Guldenberg” ist der Autor ganz in unserer Gegenwart angekommen.
Wie schon im „Gegenlauschangriff” stehen sich zwei Kulturen gegenüber:
Auf der einen Seite die Etablierten, die schon mit dem System vertrauten und auf der
anderen Seite, diejenigen, die aus ihrer alten Heimat fliehen mussten,
in dem Fall junge Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien.
Es gelingt Christoph Hein hier sehr gut aufzuzeigen, wie Ängste, Ignoranz und der
Rassismus das Zusammenleben behindern und bestimmen.
Das dritte Buch im Bunde, „Landnahme” beschreibt das Leben eines aus den
„ehemaligen Ostgebieten Deutschlands” Vertriebenen,
der nach Guldenburg (ja auch hier „Guldenburg”!) kam, als Landnahme.
Was wir in unserer Generation gar nicht so mitbekommen haben:
Die Vorurteile, mit denen damals die Vertriebenen bedacht wurden, und die
Vorurteile gegenüber den Flüchtlingen heute, bewegen sich auf
demselben erschreckenden Niveau.
Auch die Ignoranz gegenüber dem Schicksal der jeweils Anderen,
schenkt sich nichts. Auch wenn einen das sehr betroffen macht: Sehr lesenswert.
Natascha Wodin: Sie kam aus Mariupol
Natascha Wodin war 10 Jahre alt, als ihre Mutter 1956 wortlos die Wohnung verließ
und nicht wiederkam.
Ihre Mutter stammte aus der Ukraine, aus
Mariupol. Von dort war sie 1944 von den Deutschen (ich schreibe bewusst nicht:
„von den Nazis”) als „Fremdarbeiterin” ins Deutsche Reich, nach Leipzig,
verschleppt worden, wo sie in einer Rüstungsfabrik Zwangsarbeit leisten musste.
Dort lernte sie ihren späteren Ehemann, den Vater der Autorin kennen.
Die Familie blieb nach dem Ende des Krieges in Deutschland, denn wären sie in die Ukraine
zurückgekehrt, hätte man sie dort eventuell als Kollaborateure
mit den Nazis hingerichtet. Also lebten sie nach dem Krieg in einer Siedlung
für so genannte „heimatlose Ausländer”.
50 Jahre später hatte die Autorin den Namen ihrer Mutter ‚einfach so’
in eine Internet-Suchmaschine eingegeben und wurde fündig. Das
Buch ist das Resultat einer sich daran anschließenden atemberaubend
geschildertem Recherche, bei der Natascha Wodin nach und nach Zeitzeugen und
Dokumente zutage förderte, die die Lebensgeschichte der Mutter
bezeugen konnten. Die Mutter hatte sowohl russische Adlige als Vorfahren
als auch italienische Einwanderer, die vor der Revolution reiche
Unternehmer waren und nach der Revolution Alles verloren.
Das Buch hat gar nichts mit dem aktuellen Ukraine-Krieg zu tun. Das ist völlig
egal, es ist einfach so spannend.
Letztlich stellt sich hier ↑ die Frage nach der deutschen Schuld an den durch den zweiten Weltkrieg
verursachten Leiden nochmals völlig neu: Wir fühl(t)en uns den Russen
gegenüber schuldig. Dabei hatte die Bevölkerung der Ukraine
genauso zu leiden. Das ist eine im deutschen Bewusstsein weitgehend
verdrängte Geschichte, was einen Teil der ‚Holperigkeiten’ der
deutsch-ukrainischen Beziehungen erklärt!
Karen Duve: Fräulein Nettes kurzer Sommer
Wahrscheinlich ein Frauenbuch ?!? Dieses Buch habe ich wieder im Bücherschrank
entdeckt: Für jemanden, der wie ich am Bodensee aufgewachsen ist und einmal
das Meersburger Schloss besichtigt hat, ist Annette von Droste-Hülshoff
ein Begriff. Dennoch wusste ich, bevor ich dieses Buch gelesen hatte, nicht
wirklich etwas Substanzielles über sie.
Diese Biographie erzählt von der Lebenskatastrophe von Annette
von Droste-Hülshoff: Für eine Frau, die sich nicht einfach anpassen will, sich nicht einfach
einen Mann zuordnen lassen will, die ihren eigenen Kopf hat: Für die war's noch
Jahrzehnte zu früh. Die Leute um sie herum waren noch dem Feudalismus
verhaftet. Dafür war's aber zu spät, denn die französische
Revolution hatte bereits stattgefunden und die Welt war im Umbruch.
Marina Lewycka: A Short History of Tractors in Ukrainian
Marina Lewycka: Kurze Geschichte des Traktors auf
Ukrainisch
Nur wegen des Wortes Ukrainisch habe
ich dieses Buch nochmal in die Hand genommen. Mit der aktuellen Situation
in der Ukraine hat es aber nichts (wirklich: gar nichts!) zu tun.
Ein 84-Jähriger verliebt (?!?) sich zwei Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau in eine
36-jährige Ukrainerin, die so alle Vorurteile bestätigt,
die man haben kann:
- Blond,
- in erster Linie Oberweite D,
- nicht sehr gebildet,
- hat es wohl auf das Vermögen des 84-Jährigen abgesehen,
- usw.,
- usw..
Die Töchter sind entsetzt. Der Vater sieht keine Probleme, sagt den Töchtern,
sie seien spießig.
Interessanterweise schafft es die Autorin, dass das Buch dennoch
nicht ins Klamaukhafte abkippt. Im Gegenteil, letztlich müssen sich alle
(die Töchter, der Vater und Leserinnen und Leser) fragen, welche
Vorurteile sie so mit sich herumtragen, und wie das unsere
Alltagsbeziehungen prägt. Dass der Autorin diese Konfrontation
gelingt, finde ich stark!
Das Beste hätte ich beinahe vergessen: Man erfährt wirklich etwas
über die Geschichte des Traktors!
Christian
Berkel: Der Apfelbaum
Der Schauspieler Christian Berkel erzählt die Geschichte seiner Eltern: Die Mutter
stammt aus einer intellektuellen jüdischen Familie, der Vater ist ein Sproß
der Arbeiterklasse. Im zweiten Weltkrieg wird die Mutter in einem KZ in den
Pyrenäen interniert, während der Vater als Sanitätsarzt an der Ostfront dient.
Zehn Jahre lang haben die beiden sich nicht gesehen, trotzdem finden sie sich wieder.
Christian Berkel erzählt die Geschichte über 3 Generationen. Die Stationen der
Geschichte sind: Ascona, Berlin, Paris, Gurs und Moskau, zuletzt noch Buenos
Aires. Während des Lesens steht einem der Mund offen und man denkt, „Das gibt's doch gar
nicht!” — Brilliant erzählt!
Irmgard Keun:
D-Zug dritter Klasse
Diese Autorin ist eine Wiederentdeckung: Irmgard Keun wurde 1905 in Berlin geboren.
In der Zeit vor dem 2. Weltkrieg war sie eine bekannte und erfolgreiche Schriftstellerin. 1936
ging sie ins Exil. Vier Jahre später kehrte sie mit falschen Papieren nach Deutschland zurück, wo
sie unerkannt lebte. Ihre nach dem Krieg erschienenen Bücher hatten nicht den Erfolg, wie
ihre Vorkriegswerke. Erst in den Siebzigerjahren wurde sie von einem breiten Publikum
wiederentdeckt.
Den Roman schrieb die Autorin im Exil: Im Abteil im Zug nach Paris sitzen 6 Menschen. Jede(r) von
ihnen hat ein Geheimnis .... und nicht jede(r) kommt da an, wo sie oder er hin will....
Dmitry
Glukhovsky: Text
Дмитрий Алексеевич Глуховский: Текст
Ein weiterer Grund Amazon zu boykottieren ist die Tatsache, dass Amazon auf seiner Website keine
russisch-sprachigen Bücher mehr verkauft. Man kann ja darüber streiten, ob man Autoren,
die den Angriffskrieg Putins unterstützen, protegieren muss.
Die pauschale Verbannung aller russisch-sprachigen Bücher aus dem Handel trifft mit
Sicherheit auch die Falschen.
Der Autor dieses Buches gehört wohl auch dazu, denn er ist bestimmt kein Freund Putins.
In dem Buch „Text” geht es um einen Mann namens Ilja, der nach sieben Jahren Straflager
endlich nach Hause kommt. Er sucht jenen Fahnder auf, der ihn sieben Jahre zuvor zu Unrecht
hinter Gitter gebracht hatte, tötet ihn und nimmt dessen Identität an.
Das Buch zeigt Abgründe einer Gesellschaft auf, in der der Einzelne
nicht auf sein Recht pochen kann, sondern der Willkür ausgesetzt ist.
Glukhovsky zeichnet in dem Roman, der eigentlich ein Krimi ist, ein düsteres Bild der
russischen Gesellschaft. Die implizite These lautet hier: Die
Zugehörigkeit zu familiären Netzwerken oder (kriminellen)
Clanstrukturen ist weit wichtiger für den persönlichen/beruflichen
Erfolg eines Jeden als Leistung oder Orientierung an ethischen Prinzipien.
Toshikazu Kawaguchi: Bevor der Kaffee kalt wird
Eine skurrile Geschichte, ... eigentlich vier skurrile Geschichten.
In einem Cafe in Japan kann man unter bestimmten Umständen in die Vergangenheit
reisen, ... jedenfalls so lange der Kaffee nicht kalt wird.
Von vier dieser Vergangenheitsreisen berichtet das Buch. Man beginnt
unwillkürlich zu reflektieren, zu welchen Stellen des eigenen
Lebens man sich so eine Rückreise wünschen würde. Zum Glück ist mir da
nichts Wesentliches eingefallen. Dennoch fand ich das Buch nicht nur in dieser
Hinsicht anregend.
Christopher
Clark: Die Schlafwandler Wie Europa in den ersten Weltkrieg zog
Christopher Clark:
The Sleepwalkers How Europe Went to War in 1914
Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine erinnerten
mich wieder an dieses Buch, welches ich schon vor einiger Zeit gelesen habe.
Auch wenn die Umstände heute ganz andere sind, so gibt es doch ein gemeinsames
Element: Die Überraschung. Unähnlich zu 1914 ist, dass sich damals vor
Allem die Herrschenden überrascht waren, heute sind wir da schon demokratischer:
Wir haben verdrängt oder, milder gesagt, nicht vorhergesehen, dass
es Feinde der Demokratie gibt und dass diese entsprechend agieren können
und werden.
Das Buch erinnert uns prima daran, wohin das führen kann ...
Jonas Jonasson: The Girl Who Saved the King of Sweden
Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte
Übersetzungen von Buchtiteln ins Deutsche lassen einen manchmal staunen. Der deutsche Titel ist
inhaltlich nicht wirklich falsch und ... bezogen auf den Inhalt des Buches sogar eigentlich noch
spezifischer als der englische Titel. Wahrscheinlich hatte man hier die Befürchtung, dass sich in Deutschland
niemand für Leute interessiert, die den schwedischen König retten.
Diese Geschichte der jungen Südafrikanerin Nombeko habe ich vor einigen Jahren gelesen.
Ich fand die Geschichte skurril und lustig und sie geht, in Anbetracht dessen,
was eine junge Südafrikanerin dieser Herkunft „normalerweise” für ein Leben zu
erwarten hätte, für die Heldin erfrischend positiv aus.
Joachim Radkau:
Geschichte der Zukunft Prognosen, Visionen, Irrungen in Deutschland von 1945 bis heute
Joachim Radkau beschreibt in chronologischer Abfolge, welche Prognosen von 1945 an bis heute so
verbreitet wurden, welche korrekt waren, welche teilweise zutrafen und welche Utopie blieben.
In der dritten Grundschulklasse Ende der 60er-Jahre erklärte uns unser Klassenlehrer,
dass wir gut dran seien, denn im Jahr 2000 müssten wir gar nicht mehr arbeiten, weil die Arbeit dann von Robotern
erledigt werden würde. Etwa bei der Hälfte der Beispiele, die dieses spannende
Buch darbietet, stellt sich ein ähnliches Gefühl ein, wie wenn ich heute über die Prognose meines
Klassenlehrers nachdenke. „Schade!”, denke ich, „hat wohl (noch) nicht geklappt.”
Bei fast allen anderen Beispielen, die in dem Buch geschildert werden, denke ich
„Gott sei Dank, dass das nicht so eingetreten ist!” Schon allein deswegen lohnt es sich das Buch zu lesen.
Hermann Schulz: Therese Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte
Der Autor Hermann Schulz ist als Missionarssohn in Afrika zur Welt gekommen. 1977 besuchte er
wieder Togo. Er war dort der einzige Weiße in einem Supermarkt und wurde zu seiner Überraschung
von einer Frau in akzentfreiem Deutsch angesprochen. Diese Frau erzählte ihm, dass sie, wie er, aus Wuppertal
komme, wo sie 1900 als Kind einer Völkerschautruppe aus der ehemaligen deutschen Kolonie Togo
geboren wurde.
Das Buch erzählt die Geschichte dieser Frau namens Therese von 1900 bis zur der Machtergreifung Hitlers 1933,
als ihr die Ausreise aus Deutschland in das ihr bis dahin völlig unbekannte Togo gelingt. Die Erzählung
geht von Ihrem Aufwachsen in einer christlich geprägten Pflegeelternfamilie bis zu Ihrer
letzten Tätigkeit in Deutschland als Leiterin eines Kinderheims in Hamburg.
„Bin ich eine Deutsche? Bin ich eine Afrikanerin? Diese Fragen würden sie noch viele Jahre beschäftigen,
doch irgendwann würde sie wissen, dass die Frage unsinnig war” Ein sehr bemerkenswertes Buch....
Laetitia Colombani:
Das Haus der Frauen
Vor der Augen der Pariser Staranwältin Solène begeht ein Mandant Selbstmord.
Solènes bisheriges Wertesystem erfährt dadurch einen Crash.
Die junge Frau nimmt sich eine Auszeit. Eher durch Zufall (?) engagiert sie sich in einem
Frauenhaus in Paris, welches in den 20er-Jahren
des vergangenen Jahrhunderts von Blanche Peyron, einer Vorkämpferin der
Heilsarmee, erbaut worden war, damals eine völlige Novität.
Der Roman lebt davon, dass er perspektivisch zwischen dem Leben der Blanche Peyron
und dem Leben der Staranwältin Solène hin- und herpendelt.
Obwohl es Solène materiell ungleich besser geht als der Blanche Peyron
100 Jahre zuvor, wird im Roman deutlich, dass Sinn im Leben
nur durch das Wagnis des sich Einlassen zustande kommt. Das ist immer noch schwer, heute wie damals.
Das wie? wird in dem Buch spannend erzählt.
Laetitia Colombani:
Der Zopf
Dieses Buch hat bisher nur meine Frau gelesen. Sie fand es auch gut. Mehr kann ich bis jetzt nicht dazu sagen.
Bernhard Schlink, Walter Popp: Selbs Justiz,
Bernhard Schlink: Die gordische Schleife,
Bernhard
Schlink: Selbs Betrug,
Bernhard
Schlink: Der Vorleser,
Bernhard
Schlink: Die Enkelin
Das erste Buch, Selbs Justiz, habe ich vor über 30 Jahren gelesen. Selb, ein Jurist, der als junger Mann noch unter
den Nazis als Richter Karriere gemacht hat,
geht in der neuen Bundesrepublik neue Wege und arbeitet als Privatdetektiv.
„Die Vergangenheit kann dich immer wieder einholen.” Was das mit den Menschen macht, zeigt dieses Buch auf
faszinierende Weise.
Zum Geburtstag habe ich „Die Enkelin” geschenkt bekommen. Ein junger westdeutscher Student,
besucht in den 60ern Ostberlin, wo er eine junge Studentin kennenlernt. Die beiden werden ein Paar.
Der Student kratzt alle seine Ersparnisse zusammen und leiht sich Geld von Freunden, um die Fluchthelfer
bezahlen zu können, die der jungen Frau die Flucht in den Westen ermöglichen, wo die Beiden heiraten.
Nach dem Tod seiner Frau erfährt der Mann, was diese im verschwiegen hat: Die Frau hat ihr leibliches Kind in der DDR
zurückgelassen. Der Witwer macht sich auf die Suche nach der Tochter seiner Frau und findet nicht nur die
Tochter, sondern auch deren Tochter, quasi seine Enkelin.
Die beiden lernen sich im 2. Teil des Buches kennen. Das Problem: Der Ich-Erzähler, die Tochter seiner Frau
und die „Enkelin” leben in ganz anderen Welten. Sie haben grundsätzlich andere
Wertvorstellungen und sind sich so fremd, wie es nur sein kann.
Dennoch finden „Enkelin” und der Ich-Erzähler zueinander... Mehr wird nicht verraten.
Auch die anderen 4 Bücher sind alle lesenswert!
Lena Gorelik: Wer wir sind
» Wie die Erinnerung manchmal das Jetzt übertönt. Wie sie sich über alles legt, wie ein Dickicht aus Verletzungen,
Mustern und Fragen. Wie ich nicht mehr weiß, wie ich wurde und wann. Und ich dennoch beginne zu erzählen. «
Diese Sätze stehen am Anfang von Lena Goreliks autobiographischem Roman, in dem sie schildert,
wie sie, ihre Eltern, ihre Großmutter und ihr Bruder 1992 von Leningrad (heute: Sankt Petersburg) nach Deutschland,
„in die Freiheit” kamen. Sie kamen als so genannte „jüdische Kontingentflüchtlinge”.
»Das ist deine Geschichte», sagt meine Mutter, als ich ihr diese Zeilen zeige.«
Mit dem Satz endet das Buch.
Klaus Kordon: Julians Bruder
Ich zitiere aus der Buchbesprechung auf buecher.de:
»Paul und Julian wachsen im Berlin der 30er-Jahre wie Brüder auf. Den Nationalsozialismus überlebt Julian
in Verstecken: Er ist Jude. Nach dem Krieg könnte für die beiden ein neues Leben beginnen, doch schon nach wenigen Tagen
Frieden werden sie verhaftet und kommen in ein sowjetisches Internierungslager - das ehemalige
KZ Buchenwald.«
Klaus Kordon (geboren 1943) ist ja kein Zeitzeuge. Aber er beschreibt die Zeit so plastisch, wie es wahrscheinlich ein Zeitzeuge
nicht hinbekommen würde. Ich habe das Buch von einer Freundin ausgeliehen bekommen, nachdem wir uns darüber
unterhalten hatten, wie nach dem 2. Weltkrieg auch die Besatzungszeit die Menschen im Osten zusätzlich traumatisiert
haben muss.
Marion Brasch: Ab jetzt ist Ruhe Roman meiner fabelhaften Familie
„Im Osten waren die Widerstände aus Beton. Im Westen sind sie aus Gummi.” beklagt
sich der in den Westen ausgereiste älteste Bruder der Autorin, als sie sich heimlich in Budapest
treffen.
Der Vater von Marion Brasch, dem zur Nazizeit die Flucht ins Londoner Exil gelang,
kehrte aus dem Exil nach Ost-Berlin zurück, wo er seinem neuen Ideal, dem Sozialismus dienen
wollte. Die Mutter der Autorin, eine aus Wien stammende Jüdin, die er im Exil geheiratet
hatte, wollte nicht in die DDR und folgte ihm deshalb erst später nach. Keines der vier Kinder des Paares
teilte die Ideale des Vaters: Der Älteste, ein Schriftsteller, ging in den Westen, weil er im Osten sein Buch
nicht veröffentlichen konnte. Sein SED-Funktionärs-Vater wurde deswegen abgestraft,
indem er auf eine minder wichtige Stelle, in die Provinz, nach Karl-Marx-Stadt versetzt wurde.
Was die anderen drei gemacht haben, wird hier nicht verraten, aber eines ist klar: Das Buch lebt von den
mutigen Menschen, die gegen alle Widerstände in dem Land, welches es nicht mehr gibt, ihren
Weg gegangen sind.
Philip Roth: Nemesis
2012 erschien das Buch Philip Roths über die Polio-Epidemie in den USA im zweiten Weltkrieg, als es noch kein Gegenmittel
gegen Polio gab, ja als noch nicht einmal klar war, wie sich Polio verbreitete.
Der 23-jährige Sport-Lehrer arbeitet in einem gut bürgerlichen jüdischen Viertel
in der Stadt Newark. Er bedauert, dass er wegen eines Seh-Fehlers eine Brille benötigt und
deshalb nicht so, wie seine anderen Altersgenossen zur Armee eingezogen worden war.
Trotzdem ist er ein brillianter Sportler, unter Anderem Schwimmer und Turmspringer.
Er erkrankt selbst an Polio. Wieder genesen, kann er sein linkes Bein und seinen linken Arm nicht
mehr richtig bewegen. Mit seinem Sportler-Dasein ist Schluss. Nichts von dem, was ihm im Leben wichtig
war, geht noch.
Er kommt nicht mehr in sein altes Leben zurück, er wendet sich von seiner Verlobten ab und erlaubt nicht mehr,
dass seine Verlobte ihn heiratet.
Er sieht sein Leben entwertet und denkt er wäre nun eine Zumutung für sie.
Mindestens genau so schlimm, wie die Entwertung seines Lebens durch die Krankheit ist die
Selbstentwertung, die er vornimmt. Ein Phänomen, das wir heute auch bei Corona-Genesenen
beobachten können. Die Krankheit zerstört immer mehr als nur die körperlichen Fähigkeiten.
Insofern ist das ein hochaktuelles Buch....
Grit Lemke: Kinder von Hoy
Freiheit, Glück und Terror
Für uns Wessis gilt Hoyerswerda seit den rechtsradikalen und rassistischen Vorfällen der Nachwendezeit
als der Un-Ort im Osten schlechthin. ... Und jetzt schreibt diese Autorin genau darüber ein Buch! Aber was für eins! Grit Lemke,
die in 60er-Jahren nach Hoyerswerda gekommen ist, verknüpft autobiographisches Material mit
den Erzählungen anderer „Kinder von Hoy”. Sie erzählt vom Leben in der DDR-Musterstadt von ihrer Kindheit und Jugend
bis zu den Tagen der Nachwendezeit in dieser Stadt. In meinen Augen ein sehr ehrliches Buch, das nichts beschönigt und das einem
gerade deshalb die Geschichte dieser Stadt und ihrer Bewohner nahe bringt.
Eva Menasse: Dunkelblum
Dunkelblum ist ein fiktiver Ort in Österreich nahe der Grenze zu Ungarn. Im Sommer 1989 warten
Hunderte von DDR-Flüchtlingen hinter Grenze.
Ein Skelett wird gefunden und die Bewohner des Städtchens beginnen sich an eine alte Schuld
zu erinnern.
Das Buch lebt davon, dass man sich nicht über die Menschen von Dunkelblum erheben kann. Stattdessen
stellt sich der Leserin/dem Leser die Frage: „Wie hätte ich mich in so einer Situation
verhalten?”
Uwe Tellkamp: Der Turm Geschichte aus einem versunkenen Land
Dieter Zimmer:
Für'n Groschen Brause Ein Familienroman
Als das Buch von Uwe Tellkamp im Jahr 2006 erschien und auch als es verfilmt wurde,
habe ich es nicht zur Kenntnis henommen. In der Besprechung auf
www.buecher.de
wird es so beschrieben:
„Ein monumentales Panorama der untergehenden DDR, in der
Angehörige dreier Generationen teils gestaltend, teils ohnmächtig
auf den Mahlstrom der Revolution von 1989 zutreiben.” → Ja, stimmt!
Das Buch von Dieter Zimmer lag im Urlaub in unserer Unterkunft. Während der Roman von Uwe
Tellkamp eine Innensicht aus der Welt kurz vor dem Ende der DDR zeichnet, geht es in dem
offensichtlich stark autobiographisch orientierten Bericht um die Anfänge
der DDR in den 50er-Jahren. Der Autor schildert plastisch, wie man sich als junger Mensch damals in der
Gesellschaft zurechtfinden musste. Was konnte man wem anvertrauen und sagen und an welchen
Werten orientierte man sich?
Helga Schubert: Vom Aufstehen Ein Leben in Geschichten
Helga Schubert ist auf den Tag genau 20 Jahre älter als ich. Was ich aus ihrem Buch
herausspüre, ist Altersweisheit, wie ich sie auch gerne haben möchte und
Versöhntsein mit den schwierigen Seiten des Lebens. Keine billige
Zufriedenheit, nein, versöhnt sein ist Ergebnis einer
Auseinandersetzung mit all dem, womit wir zunächst einmal nicht einverstanden
sein können.
Auseinandersetzung so, dass wir bei uns bleiben können und etwas vom Leben haben.
Wie das gehen kann, zeigt sie uns in 29 Geschichten aus ihrem Leben.
Susan Neiman: Moralische Klarheit Leitfaden für erwachsene Idealisten
Eines der Verdienste des Buches von Susan Neiman ist es, an vielen Beispielen
aufzuzeigen, wie die eigene Haltung zu moralischen Fragen durch die
eigene soziale Stellung, die jeweilige Herkunft geprägt wird. Wer
unter prekären Arbeitsbedingungen im alltäglichen Gerangel
um Jobs steht wird das anders sehen, wie jemand der in gesicherten wohlhabenden
Verhältnissen, z. B. als Arzt, sein geregeltes Einkommen hat. Jemand, der in
einem Bürgerkriegsland aufwächst, wo keine staatliche Macht für Recht und Ordnung
sorgt, wird Moral ganz anders definieren, wie jemand der mit einer stabilen
Rechtsordnung aufwächst, sei diese autoritär ideologisch oder liberal
geprägt. Susan Neiman zeigt auf, dass moralische Werte nicht einfach aus
vorgegebenen Regeln ableitbar sind. Moralische Werte setzen ein
individuelles Nachdenken voraus und entspringen aus der Übernahme
von Verantwortung in einer gegebenen Situation.
Das Buch ist so super, weil es mir die Augen geöffnet hat, wie meine Eltern- und meine
Großeltern-Generation ihr moralisches Gerüst durch ihre jeweilige
Lebenssituation geprägt mitbekommen und mitgenommen haben.
Auf den ersten Blick erscheint das trivial, aber die Qualität des Buches besteht darin,
diesen Zusammenhang genauer und detaillierter aufzuzeigen
und obendrein die klassische Ethik mitzudiskutieren.
Susan Neiman: Learning from the Germans Confronting Race and the Memory of Evil
Susan Neiman: Von den Deutschen lernen Wie Gesellschaften mit dem Bösen in ihrer Geschichte umgehen können
Henryk M. Broder: Vergesst Auschwitz! Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage
Für uns Deutsche bringt Susan Neimans Buch einen radikalen Perspektivwechsel:
Susan Neiman, eine
US-Amerikanerin mit jüdischen Wurzeln, schreibt dieses Buch für ihre
Landsleute. Sie zeigt auf, was an der deutschen Vergangenheitsbewältigung nach
dem dritten Reich ihrer Meinung nach richtig gelaufen ist. Ausgehend von der
Nachkriegssituation gelingt es ihr, díe „Schuld” der Deutschen zu benennen.
Ich konnte schon immer verstehen, dass die Menschen meiner
Großelterngeneration, die, selbst wenn sie den Nazis nahestanden, den Krieg,
wie ihn Hitler dann angezettelt hat, nie gewollt hatten, sich dann am Ende des
Krieges, wenn sie ihre Heimat oder ihnen nahestehende Personen verloren
hatten, als Opfer fühlten.
Es ist und war die Stärke des Prozesses der
„Vergangenheitsbewältigung”, dass diese Menschen oder deren
Nachkommen, sich dennoch für die Folgen des Rassismus, die Folgen der
rassistischen Haltungen, verantwortlich erklärten.
Das Buch startet auch mit der klaren Aussage, dass Rassismus in den
Südstaaten der USA und der Rassismus im 3.Reich letztlich als solche nicht vergleichbar sind.
Sie zeigt aber auf, wie wir die Art und Weise, wie in den jeweiligen Ländern dem Rassismus
begegnet wird, sehr wohl vergleichen können. Es gelingt Susan Neiman die
Unterschiede im Umgang mit der jeweils eigenen Geschichte
aufzuzeigen. Für mich ein faszinierendes Buch, weil es auch die eigenen
blinden Flecken ausleuchtet.
Den Gegenpart zu Susan Neiman liefert Henryk Broders Buch. Im Gegensatz zu ihr
stellt er den Umgang mit dem Antisemitismus in Deutschland als gänzlich
gescheitert dar. Er beschreibt das Andenken an Auschwitz und an die Shoa wie eine Krankheit,
die die Deutschen befallen hat: Eine Krankheit, die das Gegenteil von dem bewirkt,
was sie zu bewirken vorgibt, die den Antisemitismus stärkt statt schwächt.
Igor Levit und Florian Zinnecker: Hauskonzert
Das Buch ist keine Literatur im klassischen Sinne. Das Buch ist kein Roman. Es ist
eher ein Tagebuch, welches die Gedanken des erfolgreichen Pianisten Igor Levit
darlegt. Igor kam 1985 mit seinen Eltern nach Deutschland, als die Bundesrepublik
jüdischstämmigen Menschen aus der Sowjetunion als "Kontingentjuden"
die Einreise nach Deutschland erlaubte. Seine Eltern entschlossen sich zu
diesem Schritt, weil sie wollten, dass ihre Kinder es „einmal besser haben”
sollten. Igor Levit ist als Künstler und Musiker anerkannt und geschätzt. In dem
Augenblick, wo er es sich aber erlaubt vor seinem Konzert dem Publikum seine
Gedanken über das „besser” darzulegen, da scheiden sich die
Geister!
An einer Stelle im Buch schreibt er dazu:
»Nach jeder rassistischen Attacke, nach jedem Anschlag gibt es mindestens einen
Politiker, der sagt:›Damit das klar ist, in unserem Land gibt es keinen Platz für
Rassismus‹. Es gibt aber eine Menge Platz für Rassismus, leider gab es immer Platz
dafür. Begreift das! Hört auf, Nebelkerzen zu werfen, hört auf zu reden, als wären
wir fünf Jahre alt! Sprecht aus, was ist: Wir haben ein sehr ernstes Problem mit Rassismus und
Antisemitismus. Wir sollten mit unserer Sprache ein bisschen
erwachsener werden.«
Thea Dorn: Trost Briefe an Max
Das Buch enthält einen Briefwechsel zwischen einer Frau, deren Mutter an
Corona verstarb, und einem alten Freund.
Die Mutter wird beschrieben als lebenslustige selbstständige Frau, die eine
Künstleragentur betrieb und mit bei Beinen voll im Leben stand.
Wegen Corona nicht verreisen? → Nein! Kontakte
deswegen einschränken? → Nein! Was soll das Alles?
So kommt die Mutter rüber. Sie stirbt an den Folgen der Covid-Infektion. Die Tochter hatte
keine Möglichkeit sich von Ihrer Mutter zu verabschieden.
Thea Dorn, wohl das alter Ego der Protagonistin, lässt es krachen. Mit Ihrer ganzen
Intellektualität befragt sie sich selbst und all Ihr Wissen
und räsoniert, wie ..., wo ..., auf welche Weise sie in dieser Situation Trost
refahren könnte. Thea Dorn lässt nichts aus:
Religion, Gott, die antiken, die neuzeitlicheren Philosophen, deren
„Trost” tröstet sie nicht. Am Ende des Buches wird deutlich, Trost ist teuer. Er kann das
Leben kosten. Und nur, wenn ich mich ehrlich auf den Weg mache und mir klar mache, was für mich wirklich
wichtig ist im Leben, kann ich so etwas wie Trost erfahren.
Ein unmögliches Buch! Ich bin froh, dass ich's gelesen habe.
Christoph Dieckmann: Woher sind wir geboren
Mit offenem Mund liest man nochmal (man erinnert sich wieder dunkel, dass man es
schon einmal mit Staunen vernommen hat) wie am 20. und 21. Januar 1990 eine vom
vorausgegangenen Sonderparteitag der SED eingesetzte
Schiedskommission praktisch die ganze DDR-Führungsriege in einem Akt
pseudoselbstkritischer Inszenierung aus der Partei warf. Letztlich
war das ein Akt panischer Selbstenthauptung der DDR-Führung, nachdem dieser
durch eine
Schusselei von Schalk-Golodkowski die Mauer, eine der wesentlichen
Grundlagen ihrer Macht, weggebrochen war.
Es gelingt Christoph Dieckmann mit einer Vielzahl an (auto-)biographischen
Episoden
deutlich zu machen, wie unterschiedlich, aber auch wie ähnlich die Zeiten die
Menschen in Ost und West geprägt haben. Darin liegt für einen Wessi wie mich der
unschätzbare Wert des Buches.
Eric-Emmanuel Schmitt: Oskar und die Dame in Rosa
Paul Kalanithi: When Breath Becomes Air
Zwei Bücher über und von Menschen über die Zeit vor ihrem Tod, wo sie schon wissen,
dass sie sterben werden:
„Nur der liebe Gott darf mich wecken.” steht während der letzten drei Tage
seines Lebens auf einem Schild auf dem Nachttisch des 10-Jährigen unheilbar
an Krebs erkrankten Oskar. Es ist die ‚‚Dame in Rosa‘‘, die
Oskar beisteht, als seine Eltern dazu nicht mehr in der Lage sind, weil sie es
nicht aushalten, dass ihr Kind dem Tode geweiht ist. Weder sie noch Dr. Düsseldorf,
der behandelnde Arzt, haben die richtigen Worte, die Oskar jetzt braucht.
13 Briefe an den lieben Gott schreibt Oskar. Eric-Emmanuel Schmitt gelingt in dem Buch
eine tieftraurige Geschichte, die der Trauer Raum gibt und es den Leser(inne)n
möglich macht, sich bei all dem Schrecken Oskar ganz nahe zu fühlen.
Trotz aller Intellektualität gelingt es auch Paul
Kalanithi eine Nähe herzustellen. Mit 36 Jahren hat er seine
Ausbildung zum Neurochirurgen fast abgeschlossen. Ein
inoperables
Lungenkarzinom beendet seine steile Karriere radikal. Er
beschreibt in seinem Buch den Rollenwechsel vom Medizinstudenten zum
anerkannten und geschätzten Arzt und dann zum Patienten. Er stellt sich der
Frage was noch bleibt, wenn alles wegfällt, was das Leben bedeutsam gemacht hat
und was noch bleibt, wenn das Leben selbst zu Ende geht. Ein unglaubliches Buch.
Wibke Bruhns: Meines Vaters Land Geschichte einer deutschen Familie
Wibke Bruhns Vater war hochdekorierter Offizier im ersten und im zweiten
Weltkrieg. Wibke Bruhns war 6 Jahre alt, als ihr Vater nach dem Attentat auf
Hitler im Juli 1944 verhaftet wurde. Er wurde aus der Wehrmacht
ausgestoßen, damit er als Zivilist vor Freislers Volksgerichtshof
gestellt werden konnte (Die militärische Gerichtsbarkeit war dem
Naziregime da zu unzuverlässig.). Er wurde zum Tod durch den Strang
verurteilt, weil er von den Attentatsplänen auf Hitler gewusst hatte
und die Attentäter und ihre Helfer (sein Vetter 2. Grades und Ehemann
seiner Tochter hatte den Sprengstoff für das Attentat beschafft.) nicht
verraten hat.
1987 stieß die Autorin auf Filmmaterial, in dem Ihr Vater vor dem
Volksgerichtshof zu sehen ist. Da begann sie die Geschichte ihres Vaters
zu recherchieren. Resultat ihrer Recherche ist dieses
beeindruckende Buch.
Sie zeigt Verständnis für Ihre Mutter in dem Resümee: „Heute weiß ich, daß
viele der 20.-Juli-Witwen gegenüber ihren Kindern geschwiegen
haben. Es war ein Schweigen, wo Fragen sich verbot. Die Zumutung wurde von
beiden Seiten vermieden.”
Dieses Schweigen über ihre (anfängliche ?) Begeisterung über das 3. Reich
und das, was das nach dem 2. Weltkrieg mit Ihnen gemacht hat, habe ich in meiner
Kindheit und Jugend immer dann bei den Anderen wahrgenommen, wenn
Einzelne dann doch einmal über diese Zeit gesprochen und berichtet
haben. Wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe, warum mich das Buch so
fasziniert.
Benjamin Ferencz: Sag immer Deine Wahrheit
„Benjamin Ferencz blickt auf 100 Jahre eines bemerkenswerten
Lebens zurück. Er war Chefankläger in den Nürnberger
Prozessen nach dem 2. Weltkrieg. Unermüdlich hat er sich für eine
gerechte und friedliche Welt eingesetzt.” Später war er dabei, als
in Den Haag der internationale Gerichtshof für Menschenrechte
eingerichtet wurde.
Raed Saleh, Markus Frenzel (Co-Autor): Ich deutsch Die neue Leitkultur
Raed Saleh kam als Fünf-Jähriger von Palästina nach Deutschland. Wenn es so etwas gibt,
wie „gelungene Integration” in der neuen Heimat,
dann ist Raed Saleh das beste Beispiel dafür.
Mit dem Titel „Ich deutsch” kokettiert er mit dem Vorurteil, dass Menschen mit
Migrationshintergrund die deutsche Sprache unvollkommen beherrschen
und damit eigentlich nicht in der Lage sind, die deutsche Kultur vollkommen zu verstehen,
und etwas Adäquates dazu zu sagen. Er plädiert für eine neue deutsche Leitkultur,
die nicht mehr die Augen vor den aktuellen Entwicklungen verschließt. An vielen
interessanten Beispielen skizziert er, wie so eine neue Leitkultur seiner
Meinung nach aussehen müsste.
Sasa Stanisic:
HERKUNFT
Woher kommen wir und was hat das für Folgen für das hier und jetzt.
Man erfährt viel über das
ehemalige Jusoslawien und doch viel über uns.
Frank
Goldammer: Zwei fremde Leben
Einmal kein Krimi von dem ansonsten als Krimi-Autor bekannten Frank Goldammer.
Frank Goldammer beschreibt sein Buch als „Spurensuche”. Es geht um
die Frage inwieweit die DDR als Staat verantwortlich war für Kindsentführungen
und Zwangsadoptionen.
Günter de Bruyn: Vierzig Jahre - Ein Lebensbericht
Günter de Bruyn berichtet in seiner Autobiographie über 40 Jahre Leben
in der DDR. Das Besondere daran ist, dass er sehr ehrlich aufzeigt, welche
‚‚Kompromisse’’ und welche Verbiegungen ein solches Leben
mit sich bringt.
Er tut das so ehrlich, dass man gezwungen ist sich zu fragen, „Wie hätte ich mich in dieser
Situation verhalten. Hätte ich die Kraft gehabt Unrecht zu widerstehen
oder hätte auch ich mich auf irgendwelche ‚‚Kompromisse’’
eingelassen?”
Alexander Asisi: DIE DRESDNERIN
Der Neffe von Yadegar Asisi hat einen Krimi herausgebracht. Der Krimi spielt in der Zeit des Kriegsendes in Dresden, im Februar 1945, zur Zeit der großen
Bombardierung der Stadt. Das ist kein Zufall, schließlich hat der Onkel des Autors die
Bombardierung im Panometer in Dresden
bildlich zur Darstellung gebracht.
Von den Recherchen zu diesem Ereignis hat Alexander Asisi manches
mitbekommen. Das tat dem Buch gut: Alles in Allem ein spannender Krimi.
Harald Jähner: Wolfszeit Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955
Wenn ich einen völlig falschen Eindruck von dem Buch erwecken möchte, könnte
ich schreiben „Noch so ein Nachkriegsbuch”... Ja, aber was für ein faszinierend
Geschriebenes. Für mich gab es einen Einblick in das Denken und Fühlen der Menschen in
den 50er-Jahren, den ich vorher so nicht hatte.
Rhidian
Brook: Niemandsland
Die Enkelin schreibt ein bewegendes Buch über die Zeit um 1946, als ihr Großvater
Offiier der englischen Besatzungsarmee in Hamburg war.
Mechtild
Borrmann: Trümmerkind
Ein Kriminal- und zugleich historischer Roman und eine
Familiengeschichte, die in der Zeit im Jahrhundertwinter 1946/47 spielt.
Wirklich ein Buch, das sich zu lesen lohnt. Es fällt schon
auf, dass es in letzter Zeit immer mehr Bücher gibt. die sich mit
der unmittelbaren Nachkriegszeit beschäftigen. Die Bücher werden
ja gekauft (Offensichtlich auch von mir!). Es scheint in unserer
Gesellschaft gerade ein neues Bedürfnis zu geben, sich mit dieser
Zeit zu beschäftigen.
Peter Prange: Eine Familie in Deutschland
Band 1 → Zeit zu hoffen, Zeit zu leben
Band 2 → Am Ende die Hoffnung
Es handelt sich um die Geschichte einer Familie in der Zeit des
3. Reiches. Band 1 erzählt die Zeit von der Machtergreifung der
Nazis bis kurz vor dem September 1939 und Band 2 erzählt die
Geschichte während des 2. Weltkriegs bis 1955.
Für uns nach dem 2. Weltkrieg Geborene ein erschreckender
Einblick, wie Ideologie von der Überlegenheit der
arischen Rasse nach und nach alle moralischen Werte und
letztlich auch jeglichen Gemeinsinn korrumpiert, so dass
sich jeder selbst der Nächste ist.
Die folgende Überlegung hat nichts unmittelbar mit
dem Buch zu tun, drängte sich mir aber, nachdem ich die beiden Bände
gelesen hatte doch auf:
Ich glaube, dass die
Erfahrungen des 2. Weltkriegs zu der Zeit, als ich aufgewachsen
bin, noch in dem Sinne nachgewirkt haben, dass damals bei der
Mehrheit der Bevölkerung ein, wenn auch schwaches, so doch
klares Gefühl vorhanden war, dass so etwas nicht mehr
passieren darf und dass Alle an Bildungschancen und an den materiellen und
kulturellen Gütern teilhaben müssen, damit eine
Gesellschaft funktioniert. Dieses Bewusstsein, wie
gefährlich so eine Desintegration der
gesellschaftlichen Gruppen ist, fehlt heute.
Monika
Helfer: Die Bagage
Österreich, Vorarlberg, zur Zeit des ersten Weltkrieges: Josef Moosbrugger und seine
überaus schöne Frau Maria leben mit ihren Kindern am Rand eines Bergdorfes. Sie sind arm
und wohnen oben am Berghang. Dennoch schauen die Dorfbewohner auf die Familie herab
und titulieren die Familie als „Bagage”.
Als Josef Moosbrugger zum Militär muss, bittet er den Bürgermeister als Beschützer
seiner Frau und seiner Kinder zu fungieren. Als er aus dem verlorenen Krieg
zurückkommt, verdächtigt er seine Frau, dass eines seiner Kinder nicht von ihm stammt.
Ein spannendes Buch darüber, wer in der Gesellschaft anerkannt ist und wer nicht und
was das mit den Menschen macht. Nicht zuletzt geht's nebenbei auch darum, dass der
härteste Sex eben eher in der Phantasie der Leute stattfindet als in der Realität.
Juli Zeh:
Neujahr
Juli Zehs neuer Roman „Neujahr” kreist um eine Figur, die in der Literatur
noch recht ungewöhnlich ist: um den überforderten Vater.
Navid Kermani: Ungläubiges Staunen Über das Christentum
Noch nie habe ich von einem Autor, der selbst Moslem ist, Tiefgründigeres über das
Christentum lesen können. Als evangelischer Christ in theologischen
Fragen nicht gerade unbewandert, konnte ich noch etwas über das
Christentum lernen. Zugleich zeigt das Buch Wege auf, wie Moslems und Christen
zueinander finden können. Navid Kermanis schafft quasi eine
„Innenansicht des Christentums von außen”! → Sehr zu empfehlen!
Anne Tyler: Redhead by the Side of the Road
Angeblich ein Liebesroman. Normalerweise lese ich keine
Liebesromane. Dieser ist aber einzigartig, so dass sogar ich ihn lesen kann.
← Diese Ausgabe des Buches gibt es anscheinend nur noch antiquarisch.
Nancy
Werlin: Double Helix auf englisch
Nancy
Werlin: Double Helix auf deutsch (erschien auf deutsch auch unter dem Titel Chromosom 4)
Hier klaue ich mir 'mal wieder den Text der Buchbesprechung von buecher.de:
‚‚Double Helix erzählt die Geschichte von Eli Samuels, der nach seiner Schulzeit eine
Stelle am Labor für Molekularbiologie des renommierten Dr. Quincy Wyatt
erhält. Aber warum will Elis Vater partout nicht, dass er dort arbeitet? Welche
seltsame Verbindung besteht zwischen seinen Eltern und dem skrupellosen
Dr. Wyatt? Und wer genau ist die rätselhafte Kayla, die ihm so vertraut scheint? Elis Mutter
leidet inzwischen an einer vererblichen Erkrankung des Nervensystems
im fortgeschrittenen Stadium, doch sein Vater bleibt Eli jede Erklärung schuldig.
Schließlich muss er sich selbst auf die Suche nach Antworten begeben, um dabei
herauszufinden, wer er in Wirklichkeit ist.’’
Paul
Auster: 4 3 2 1
Jeffrey
Archer: Traum des Lebens
Die beiden Bücher haben gemeinsam, dass sie nicht nur eine Version sondern mehrere
Versionen der Geschichte erzählen.
Paul Auster erzählt die Geschichte seines Helden Archibald Ferguson in vier
verschiedenen Varianten. Archibald Ferguson wächst im Amerika der
Fünfziger- und Sechzigerjahre auf. Es geht um Protest gegen den Vietnamkrieg,
Studentenrevolte und Rassenunruhen. Es ist nicht nur so, dass jeder der
vier Abschnitte eine andere Variante schildert, wie das Leben des
Archibald Ferguson hätte verlaufen können. Jede Variante bringt
auch andere Einblicke in das Leben in den USA in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren.
Spannend.
Jeffrey Archers Romanhandlung beginnt im Jahre 1968: Am Hafen von Leningrad müssen der junge
Alexander Karpenko und seine Mutter
auf der Flucht vor dem KGB entscheiden, auf welches Schiff sie sich als blinde Passagiere
schleichen. Ein Schiff fährt nach Großbritannien, das andere in die in die USA. Der Wurf einer
Münze soll entscheiden, wo es hingeht. Tatsächlich schildert das Buch auf
faszinierende Weise beide Versionen der gelungenen Flucht:
Von der nach London und von der nach New York.
Joachim
Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (von 5)
Hier übernehme ich einmal den Text der Buchbesprechung von www.buecher.de: „Ein brüllend komischer und tieftrauriger
Roman über einen Jungen, der als Sohn des Direktors einer
Kinder- und Jugendpsychiatrie am besten schläft, wenn nachts die Schreie der Patienten
hallen, der Blutsbrüderschaft mit dem Hund schließt und dem Doppelleben seines Vaters
auf die Spur kommt - einem faszinierenden Mann, der in der Theorie glänzt, in der Praxis versagt,
voller Lebensfreude ist und doch nichts gegen sein viel zu frühes Ende tun kann.”
John Williams:
Augustus
Octavius, Großneffe und Adoptivsohn von Julius Caesar, späterer Kaiser
Augustus. Der Autor schildert das Leben von Augustus so, dass wir ganz viel über das Leben
in der Antike erfahren und dabei Emotionen und was die Menschen damals antrieb,
plastisch und nachvollziehbar wird.
Katerina
Poladjan: Hier sind Löwen,
Eine Buch-Restauratorin erhält den Auftrag die Familienbibel
einer
armenischen Familie zu restaurieren. Die Restauratorin beginnt vor
Ort in Armenien Nachforschungen anzustellen und erfährt dabei
Entscheidendes über ihre eigene aus Armenien stammende
Familie.
Yishai
Sarid: Monster
"Ein israelischer Tourguide streckt im Konzentrationslager
von Treblinka einen deutschen Dokumentarfilmer mit einem
Faustschlag nieder." Das Buch hat mir klargemacht, dass das Andenken an den Holocaust
für Juden heutzutage genauso eine Herausforderung ist, wie für
uns, die Nachfahren der Täter.
Naomi Alderman:
Ungehorsam
Deborah Feldman: Unorthodox
Deborah Feldman: Überbitten
Das erste der drei Bücher handelt von einer Rückkehr: Die Ich-Erzählerin kommt aus New York. Nach dem Tod
ihres Vaters kehrt sie nach London, in die orthodoxe jüdische Gemeinschaft zurück, der
ihr Vater vormals als Rabbi vorstand. Das zweite beschreibt das Leben von Deborah Feidman in einer
solchen orthodoxen jüdischen Gemeinschaft und das dritte
Buch beschreibt, wie Deborah Feidman die orthodoxe jüdische
Gemeinschaft verlässt und am Ende in Berlin ein neues Leben beginnt.
Albrecht Mälzer